Die Münchner Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) will die Veröffentlichung ihres Gutachtens zum Missbrauch im Erzbistum Köln. Dies Erzdiözese hält dieses seit Oktober zurück. Die Kanzlei übt zugleich scharfe Kritik am sogenannten Jahn-Gutachten.
Die Münchner Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) hat sich am Freitag zur Missbrauchsaufarbeitung im Erzbistum Köln geäußert. Sie votiert für die Veröffentlichung ihres Gutachtens, das vom Erzbistum Köln zurückgehalten wird. „Es ist nach wie vor unser Bestreben und unser dringender Wunsch, dass unser unabhängiges Gutachten zu Fällen des an Minderjährigen verübten sexuellen Missbrauchs im Erzbistum Köln zeitnah und vollständig veröffentlicht wird“, erklärte Anwalt Dr. Ulrich Wastl am Freitagmittag. Diese Veröffentlichung könne nach Vorstellung der Kanzlei „jederzeit auch ausschließlich über unsere Homepage erfolgen, so dass nach unserer Einschätzung für das Erzbistum Köln keinerlei Haftungsrisiken bestehen. Wir trügen hierfür die alleinige und volle Verantwortung“, ergänzte Wastl.
Kanzlei weist Vorwürfe an Gutachten zurück
Die Einwände gegen die Gutachten, die der vom Erzbistum Köln beauftragte Frankfurter Strafrechtler Matthias Jahn formuliert hat, „halten nicht nur wir nicht für stichhaltig“, so Wastl. Das Jahn-Gutachten leide seinerseits „an methodischen und anderen schwerwiegenden Fehlern“. Wastl hält deshalb vor dem Hintergrund des „überragenden öffentlichen Interesses“ an der gutachterlichen Bewertungen seiner Kanzlei die „Veröffentlichung unseres Gutachtens zwingend geboten“. Nur dann sei es möglich sich „ein eigenes und objektives Bild über unsere Arbeitsweise, unsere tatsächlichen Feststellungen sowie insbesondere auch unsere Bewertungen und Empfehlungen“ zu machen, erklärte Wastl. „Weder die Verantwortlichen des Erzbistums Köln noch die Verfasser bzw. Unterzeichner des Jahn- Gutachtens haben uns vor dessen Veröffentlichung sowie in der Folgezeit im Rahmen entsprechender Veranstaltungen die Möglichkeit gegeben, die zahlreichen tatsächlichen und methodischen Fehler des Jahn-Gutachtens darzulegen.“
In zehn Punkten nimmt die Kanzlei nun erstmals ausführlich öffentlich Stellung. Wastl beklagt, dass die Verantwortlichen des Erzbistums Köln seiner Kanzlei vor der Veröffentlichung keine Möglichkeit der Stellungnahme gegeben hätten. „Auch gegenüber den beiden Strafrechtsprofessoren hatten wir vor der Veröffentlichung ihres Gutachtens keine Gelegenheit, auf diverse darin enthaltene tatsächliche und methodische Fehler hinzuweisen“, so Wastl weiter.
Kritik an Jahn-Gutachten: Verkürzte Zitate
Seit der Veröffentlichung Ende Oktober habe Jahn sein Gutachten mehrfach im Auftrag der Leitungsebene des Erzbistums Köln öffentlich verteidigt. Zuletzt sollte dies vor ausgewählten Journalisten erfolgen. Die stößt bei Wastl auf Kritik: „Bei keinem dieser Auftritte hatten wir die Möglichkeit, zur Kritik an unserem für das Erzbistum Köln erstellten Gutachten Stellung zu nehmen“.
Aus seiner Sicht leidet das Jahn-Gutachten leidet unter verschiedenen methodischen Grundlagenfehlern: „Es stellt bereits den uns erteilten Auftrag selektiv und unvollständig dar. Zudem lässt es die namentlich im Hinblick auf den Schutz der Opfer bestehenden besonderen Anforderungen an ein Gutachten im Bereich des sexuellen Missbrauchs unberücksichtigt“. Darüber hinaus offenbare das Jahn-Gutachten auch nach Einschätzung der Kirchenrechtler Wilhelm Rees und Thomas Schüller erhebliche Mängel mit Blickrichtung auf die Darstellung der kirchenrechtlichen Anforderungen. „Die in unserem Gutachten erfolgte detaillierte Darstellung der kirchenrechtlichen Grundlagen bleiben im Jahn-Gutachten unerwähnt“. Der obersten Leitungsebene des Erzbistums Köln sei das Jahn- Gutachten bekannt. Und es werde von dieser als maßgebliches Argument für die Nichtveröffentlichung unseres Gutachtens in der öffentlichen Diskussion eingesetzt.
Wastl: Kirchenrechtliche Einschätzung nicht haltbar
Bereits in einer ersten Stellungnahme hatte die Münchener Kanzlei darauf hingewiesen, dass das Jahn-Gutachten an einem „grundlegenden methodischen Fehler“ leide. Denn es berücksichtige „nur selektiv und unvollständig“, dem Auftrag des Erzbistums Köln an die Kanzlei. Die Diözese habe zwischenzeitlich bestätigt, „dass unser Auftrag tatsächlich nicht auf eine bloße Rechtsmäßigkeitskontrolle beschränkt war, sondern darüber hinaus von uns gerade auch die Bewertung der Angemessenheit des Verhaltens hochrangiger Bistumsverantwortlicher unter Namensnennung gefordert war“.
Weiter kritisiert Wastl, dass das Jahn-Gutachten sich auf mehr als sechs von insgesamt 22 Seiten mit kirchenrechtlichen Grundlagen befasse. Dies sei allein schon deshalb bemerkenswert, weil weder Jahn noch der mitunterzeichnende weitere Strafrechtsprofessor bislang „durch eine besondere kirchenrechtliche Expertise in Erscheinung getreten“ seien. Jahns kirchenrechtlichen Ausführungen aber seien fehlerhaft und nicht haltbar. Auch habe das Jahn-Gutachten „noch nicht einmal erwähnt, dass unser Gutachten eine mehr als 50-seitige Darstellung der kirchenrechtlichen Grundlagen einschließlich entsprechender Definitionen enthält, und unter Missachtung grundlegender methodischer Anforderungen jegliche Auseinandersetzung mit unseren diesbezüglichen Ausführungen unterlässt“.
Alle Fälle „umfassend geprüft“
Aus Sicht des Münchener Rechtsanwalts verkennt das Jahn-Gutachten „in vielfältiger Hinsicht die spezifischen methodischen Anforderungen an ein Gutachten im Hinblick auf die Bewertung und insbesondere öffentliche Darstellung von Fällen sexuellen Missbrauchs“. So kritisiere das Gutachten die Beschränkung der Darstellung auf 15 exemplarische Fälle. „Dabei übersieht es das berechtigte Interesse der von sexuellem Missbrauch Betroffenen, nicht der Gefahr einer weiteren Retraumatisierung ausgesetzt zu werden“, sagte Wastl. Auch das unter Umständen bestehende Recht etwaiger Täter auf das „Vergessen ihrer Taten“ sowie der Schutz derjenigen Personen, deren Persönlichkeitsrecht aufgrund ihrer untergeordneten Stellung im Erzbistum Köln durch eine öffentliche Nennung verletzt würde, bleibe im Jahn-Gutachten unberücksichtigt. „Der Grund für die Beschränkung auf 15 Fälle liegt in den vorstehend beschriebenen rechtlichen Überlegungen sowie insbesondere im Risiko einer Retraumatisierung von Opfern durch die öffentliche Darstellung ihrer Fälle“, betonte demgegenüber Wastl.
Seine Kanzlei habe „selbstverständlich nicht nur die ausgewählten 15, sondern alle uns übergebenen Fälle umfassend geprüft, ausgewertet und dies im Rahmen unseres Gutachtens auch dokumentiert“. Das Jahn-Gutachten gehe „bei der sensiblen Problematik des sexuellen Missbrauchs davon aus, dass der Opferfürsorge lediglich eine rechtliche Kategorie zukomme“. Die aus seiner Sicht „zwingend gebotene Frage“ aber, ob und inwieweit Opfer sexuellen Missbrauchs auch Fürsorge im Sinne eines Verstehens „ihrer Situation, die seelsorgerische Betreuung, die fürsorgliche Behandlung, etc., berechtigterweise erwarten können“, stelle es „offenkundig nicht“. Außerdem versuche das Gutachten „mit verkürzten Zitaten den unzutreffenden Eindruck einer nicht mehr angemessenen Sprache zu erwecken“.