Intensivmediziner für mehr Impfungen in sozialen Brennpunkten

Intensivmediziner fordern Länder und Kommunen auf, verstärkt in sozialen Brennpunkten gegen das Coronavirus zu impfen, um die Krankenhäuser zu entlasten. Städtetag: Sozial Benachteiligte beim Impfen nicht abhängen
Düsseldorf – Intensivmediziner fordern Länder und Kommunen auf, verstärkt in sozialen Brennpunkten gegen das Coronavirus zu impfen, um die Krankenhäuser zu entlasten. "Auf den Intensivstationen liegen überdurchschnittlich viele Menschen aus ärmeren Bevölkerungsschichten, Menschen mit Migrationshintergrund und sozial Benachteiligte", sagte der wissenschaftliche Leiter des Intensivregisters der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), Christian Karagiannidis, der "Rheinischen Post" (Freitag).

–Symbolfoto: Spencer Davis/Pixabay

Intensivmediziner fordern Länder und Kommunen auf, verstärkt in sozialen Brennpunkten gegen das Coronavirus zu impfen, um die Krankenhäuser zu entlasten. „Auf den Intensivstationen liegen überdurchschnittlich viele Menschen aus ärmeren Bevölkerungsschichten, Menschen mit Migrationshintergrund und sozial Benachteiligte“, sagte der wissenschaftliche Leiter des Intensivregisters der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), Christian Karagiannidis, der „Rheinischen Post“ (Freitag).

„Mobile Impfteams in die sozialen Brennpunkte schicken“

„Um diese Menschen besser zu schützen und die Intensivstationen zu entlasten, sollten alle Bürgermeister und Gesundheitsämter mobile Impfteams in die sozialen Brennpunkte ihrer Städte schicken. Das würde eine Menge bringen, denn das Impftempo ist derzeit vielversprechend“, ergänzte Karagiannidis: „Bleibt es so hoch und impfen wir jetzt noch gezielter, bekommen wir im Rennen gegen das Virus in absehbarer Zeit die Oberhand.“

Der Intensivmediziner warnte zugleich vor schwerwiegenden Langzeitfolgen für die Krankenhäuser nach der Pandemie. „Die Intensivstationen sind bereits viel zu voll. Die Bettenkapazitäten mögen je nach Region noch Notfallreserven haben, das Pflegepersonal und die Ärzte auf den Intensivstationen haben diese aber nicht mehr“, sagte Karagiannidis, der auch Präsident der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN) ist.

Krankenhäuser werden an Corona-Langzeitfolgen leiden

Die Mitarbeiter der Krankenhäuser bräuchten dringend einen „Sommer der Ruhe und Entlastung“. Bereits jetzt wolle ein Drittel der Pflegenden den Beruf wechseln und fast die Hälfte ihre Arbeitszeit reduzieren. Der Mediziner fügte hinzu: „Bis Sommer muss ein drastischer Rückgang der Covid-19-Intensivbelegung erfolgen, denn auch die Krankenhäuser werden an Corona-Langzeitfolgen leiden, indem ihnen das Personal wegrennt. Ich kann die Entscheidungsträger nur bitten, alles zu tun, damit dies in Grenzen gehalten wird“, mahnte Karagiannidis.

Unterdessen fordert der Deutsche Städtetag größere Anstrengungen, um möglichst rasch viele Menschen in sozial benachteiligten Stadtteilen gegen Corona zu impfen. „Soziale Unterschiede dürfen nicht dazu führen, dass ein Teil der Menschen abgehängt wird, weil für sie der Zugang zu Impfungen zu schwer ist“, sagte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Freitag). Um mehr Menschen individuell anzusprechen, müssten auch mobile Impfteams stärker eingesetzt werden.

Dedy betonte: „Wo die Wohnsituation von Menschen beengt ist und es nur geringe Einkommen gibt, wo Menschen, zum Teil auch mit Migrationshintergrund, in sozial schwierigen Verhältnissen leben, müssen wir den Zugang zu Impfangeboten erleichtern.“

Viele Städte hätten bereits in den vergangenen Wochen ihre Anstrengungen verstärkt, in sozial benachteiligten Quartieren intensiver über die Einhaltung von Hygienevorgaben zu informieren. „Nun geht es darum, auch das Impfen den Menschen dort stärker nahezubringen“, so der Hauptgeschäftsführer.

Wenn die Impfpriorisierung spätestens im Juni aufgehoben werde, „sollte es Lockerungen bei den Corona-Beschränkungen für geimpfte, genesene und getestete Menschen geben“, forderte Dedy. „Über solche Lockerungen sollten wir auch Anreize für das Impfen schaffen.“

Am Donnerstag hatte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) erklärt, wie wichtig eine gute Aufklärungskampagne in allen gesellschaftlichen, kulturellen und religiösen Gruppen sei. Auch die Kanzlerkandidaten von CDU und SPD, Armin Laschet und Olaf Scholz, sprachen sich dafür aus, rasch in sozialen Brennpunkten zu impfen.

Laut einer Studie von Sozialwissenschaftlern des Marktforschungsinstituts Infas 360 weisen sozial benachteiligte Stadtteile in der Tendenz höhere Infektionszahlen auf als gut situierte.

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Staatsministerin Annette Widmann-Mauz (CDU), warb zudem für den systematischen Einsatz von Sprachmittlern bei Ärzten und in Krankenhäusern. „Das Problem der Sprachbarriere stellt sich ja unabhängig vom Pandemieverlauf in allen möglichen Bereichen der Gesundheitsversorgung“, sagte sie der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Freitag). Auch in der Impfkampagne brauche es mehrsprachige Informationen.

rwm/kna