Maas begrüßt Einigung mit Namibia

Völkermord: Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) begrüßt die Einigung zwischen Deutschland und Namibia im seit mehreren Jahren andauernden Kolonialdialog.
Völkermord: Berlin – Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) begrüßt die Einigung zwischen Deutschland und Namibia im seit mehreren Jahren andauernden Kolonialdialog. "Ich bin froh und dankbar, dass es gelungen ist, mit Namibia eine Einigung über einen gemeinsamen Umgang mit dem dunkelsten Kapitel unserer gemeinsamen Geschichte zu erzielen", erklärte Maas in Berlin.

Heiko Maas (Foto: © James Rea | Dreamstime.com)

Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) begrüßt die Einigung zwischen Deutschland und Namibia im seit mehreren Jahren andauernden Kolonialdialog. „Ich bin froh und dankbar, dass es gelungen ist, mit Namibia eine Einigung über einen gemeinsamen Umgang mit dem dunkelsten Kapitel unserer gemeinsamen Geschichte zu erzielen“, erklärte Maas in Berlin. Nach mehr als fünf Jahren Verhandlung wurde am Donnerstag ein Durchbruch erzielt. Deutschland bekennt sich zum Völkermord an den Herero und Nama vor über 100 Jahren und nennt diesen auch so. Zudem sollen als Wiedergutmachung in den kommenden 30 Jahren rund 1,1 Milliarden Euro in Aufbauprojekte fließen.

Das heutige Namibia war von 1884 bis 1915 deutsche Kolonie. Seit 2015 führten Deutschland und Namibia einen Dialog zur Aufarbeitung der Vergangenheit. Im Mittelpunkt standen die Geschehnisse zwischen 1904 und 1908 in der damaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika, als deutsche Truppen unter Lothar von Trotha (1848-1920) Zehntausende Herero und Nama töteten. „Unser Ziel war und ist, einen gemeinsamen Weg zu echter Versöhnung im Angedenken der Opfer zu finden“, betonte Maas weiter. Dazu gehöre auch, die Ereignisse der deutschen Kolonialzeit im heutigen Namibia und insbesondere die Gräueltaten in der Zeit von 1904 bis 1908 ohne Schonung und Beschönigung zu benennen: „Wir werden diese Ereignisse jetzt auch offiziell als das bezeichnen, was sie aus heutiger Perspektive waren: ein Völkermord.“

Verantwortung für Völkermord im heutigen Namibia

Im Lichte der historischen und moralischen Verantwortung Deutschlands wolle man Namibia und die Nachkommen der Opfer um Vergebung bitten, ergänzte der Minister: „Als Geste der Anerkennung des unermesslichen Leids, das den Opfern zugefügt wurde, wollen wir Namibia und die Nachkommen der Opfer mit einem substanziellen Programm in Höhe von 1,1 Mrd. Euro zum Wiederaufbau und zur Entwicklung unterstützen.“ Bei dessen Gestaltung und der Umsetzung sollen die vom Völkermord betroffenen Gemeinschaften eine entscheidende Rolle einnehmen, fügte Maas hinzu: „Rechtliche Ansprüche auf Entschädigung lassen sich daraus nicht ableiten.“

Die „Verbrechen der deutschen Kolonialherrschaft“ hätten die Beziehungen mit Namibia lange belastet, erklärte der Minister. Einen Schlussstrich unter der Vergangenheit könne es nicht geben: „Die Anerkennung der Schuld und unsere Bitte um Entschuldigung ist aber ein wichtiger Schritt, um die Verbrechen aufzuarbeiten und gemeinsam die Zukunft zu gestalten.“

Nach Angaben des Auswärtigen Amtes geht es bei den von Deutschland finanzierten Vorhaben auf Wunsch der namibischen Seite um die Bereiche Landreform, einschließlich Landkauf und Landentwicklung, Landwirtschaft, ländliche Infrastruktur und Wasserversorgung sowie Berufsbildung. Dies alles seien zentrale Themen in den teilweise marginalisierten Siedlungsgebieten der Nama und Herero. Diese Projekte liefen zusätzlich zur bilateralen Entwicklungszusammenarbeit, die ebenfalls weitergeführt werden solle.

kna

Die kurze und blutige Geschichte von Deutsch-Südwestafrika – Schatten der Vergangenheit

Deutschland und Namibia haben sich über die weitere Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit verständigt. Zeit für einen Blick zurück. Was geschah in Deusch-Südwest?

Mit einer Finte fing alles an. Die Meeresbucht von Angra Pequena erfüllte am 7. August 1884 der Widerhall von Salutschüssen auf Kaiser Wilhlem I. Auf Betreiben des Bremer Tabakhändlers Adolf Lüderitz wurde die dünn besiedelte Region an der afrikanischen Atlantikküste samt Hinterland „bis zu einer Ausdehnung von 20 geografischen Meilen landeinwärts“ mit militärischem Pomp „unter den Schutz und die Oberherrlichkeit Seiner Majestät“ gestellt. Bereits eineinhalb Jahre zuvor hatte Lüderitz‘ Mittelsmann Heinrich Vogelsang in einem windigen Geschäft mit dem Nama-Häuptling Joseph Fredericks die territoriale Grundlage für das „Schutzgebiet“ Deutsch-Südwestafrika gelegt, das heutige Namibia.

Während Fredericks lediglich die englische Meile, umgerechnet rund 1,6 Kilometer, als Maßstab kannte, legte Vogelsang bei den Vertragsgesprächen die deutsche Einheit von 7,4 Kilometer zugrunde und erwarb auf diese Weise ein Gebiet, das sogar die Landfläche des Reiches übertraf. Ein Faktum, das der dolmetschende Missionar der evangelischen Rheinischen Mission den afrikanischen Verhandlungspartnern wohlweislich verschwieg. Entschädigt wurde der Nama-Häuptling schließlich mit insgesamt 600 Pfund Sterling und 260 Gewehren. Leichtes Spiel für Lüderitz, der es nicht zuletzt im illegalen Waffenhandel zu beträchtlichem Reichtum gebracht hatte.

Der von den neuen Siedlern aus dem fernen Europa erhoffte Wohlstand ließ freilich auf sich warten. Der Anbau von Kulturpflanzen erwies sich als wenig lohnend; eine Rinderpest führte 1897 zu einer wirtschaftlichen und sozialen Krise. Hinzu kam, dass sich die Kolonialherren in immer neuen kostspieligen militärischen Auseinandersetzungen mit den beiden größten Bevölkerungsgruppen, den Nama und den Herero, verzettelten.

Die Konflikte kulminierten in einem grausamen Vernichtungskrieg, bei dem zwischen 1904 und 1908 Zehntausende Angehörige beider Völker ums Leben kamen. Der damalige Truppenchef Lothar von Trotha kündigte am 2. Oktober 1904 an: „Innerhalb der deutschen Grenze wird jeder Herero mit oder ohne Gewehr, mit oder ohne Vieh erschossen. Ich nehme keine Weiber und Kinder mehr auf, treibe sie zu ihrem Volk zurück oder lasse auf sie schießen.“

Der Befehl folgte auf die Schlacht am Waterbergmassiv am 11. August 1904. Danach hatten sich die Herero einer drohenden Einkesselung durch die Deutschen mit der Flucht in die wasserlose Omaheke-Wüste entzogen. „Grauenhafte Szenen des Leids müssen sich im Sandfeld abgespielt haben. Ein Todesmarsch“, heißt es in dem Standardwerk „Deutsche Kolonien – Traum und Trauma“ von Gisela Graichen und Horst Gründer. Schon länger sprachen viele Historiker und Politiker von Völkermord – auch die am Freitag veröffentlichte Erklärung zum Abschluss der Verhandlungen zwischen Deutschland und Namibia nutzt diesen Begriff.

Nach den Kämpfen witterten manche Siedler das ganz große Geschäft. Diamantenfunde im Hinterland von Angra Pequena, inzwischen in Lüderitzbucht umbenannt, sorgten für eine vorübergehende Blütezeit der Kolonie. Kolmanskuppe heißt der Ort unweit der ersten Schürfstätten, der wohl am besten den Wahnwitz jener kurzen Phase verdeutlicht. Mit schier unglaublicher Geschwindigkeit stampften hier ab 1908 die Kolonisten eine Mustersiedlung aus dem staubigen Boden – inklusive Kegelbahn, Kraftwerk und Krankenhaus mit dem ersten Röntgenapparat des südlichen Afrika.

Auch der kostengünstige Abbau des begehrten Minerals wurde dank deutscher Organisationskunst umgehend geregelt. Weil die arbeitsfähigen Herero und Nama kurz zuvor fast alle ausgerottet worden waren, warben die Minenbetreiber kurzerhand Wanderarbeiter unter anderem aus dem weiter nördlich gelegenen Ovambo-Gebiet an. Die Zwölf-Stunden-Schichten an sieben Tagen in der Woche forderten ihren Tribut: In den Minen bei Kolmanskuppe soll unterschiedlichen Angaben zufolge ungefähr jeder zehnte Arbeiter an Erschöpfung gestorben sein.

Schon früh im Ersten Weltkrieg kam das Ende für die Kolonie. Die letzte Stellung der Deutschen, die den Truppen aus Südafrika standhielt, hörte auf den passenden Namen „Sargdeckel“. Am 9. Juli 1915 unterzeichnete der letzte Gouverneur Theodor Seitz schließlich die Kapitulation.

Von Joachim Heinz (KNA)