Maas bespricht „existenzielle Fragen“ mit Franziskus

Inmitten der Corona-Krise hat Deutschlands Außenminister Heiko Maas den Papst besucht. Der nahm sich – entgegen den diplomatischen Gepflogenheiten – 40 Minuten Zeit für den ehemaligen Messdiener.
Heiko Maas Inmitten der Corona-Krise hat Deutschlands Außenminister Heiko Maas den Papst besucht. Der nahm sich - entgegen den diplomatischen Gepflogenheiten - 40 Minuten Zeit für den ehemaligen Messdiener.

Heiko Maas (Foto: © James Rea | Dreamstime.com)

Mit der Privataudienz beim Papst geht nicht zuletzt ein “persönlicher Wunsch” in Erfüllung – daraus macht Heiko Maas gar keinen Hehl. Dem früheren Messdiener ist anzumerken, dass es sich nicht um einen gewöhnlichen diplomatischen Termin handelt. “Natürlich treffe ich den Papst auch als Katholik”, sagt der Saarländer mit einem Lächeln, als er in der Ewigen Stadt eintrifft. Franziskus könne den Menschen Orientierung geben für eine “neue Normalität” nach der Corona-Pandemie.

Interesse an einer verstärkten Zusammenarbeit

Aber es gibt auch allerhand handfeste politische Gründe, die den deutschen Außenminister zu seiner zweitägigen Rom-Reise veranlasst haben. Afrika, Lateinamerika, China – in all diesen Regionen würde sich die Bundesregierung gerne die vielfältige diplomatische Expertise des Vatikan zunutze machen. Und offenbar gibt es auf der Gegenseite ebenso ein Interesse an einer verstärkten Zusammenarbeit. Die Schnittmengen in Sachen Friedenssicherung und humanitäre Hilfe sind groß. Sonst wäre es zu dem privaten Treffen nicht gekommen.

Normalerweise bekommt man als Außenminister der Bundesrepublik keine Audienz beim obersten Repräsentanten der katholischen Kirche. Solche Begegnungen sind gemäß den diplomatischen Gepflogenheiten eher Staats- und Regierungschefs sowie – im Falle Deutschlands – den Ministerpräsidenten der Bundesländer vorbehalten. Eine Ausnahme war zuletzt 2003 der Besuch von Joschka Fischer.

Maas hält sich nicht mit Kritik zurück

Nun ist auch Maas eine solche Ausnahme. Trotz des in Deutschland bevorstehenden Wahlkampfs nimmt man dem 54-Jährigen ab, dass es nicht nur um medienwirksame Bilder geht. Sein Interesse an der katholischen Kirche wirkt ehrlich. Schon am Dienstag trifft er sich zu einem Gespräch mit dem für interreligösen Dialog zuständigen Kurienkardinal Kurt Koch. Speziell mit Blick auf das Judentum soll eine noch engere Kooperation ausgelotet werden, heißt es.

Nicht einmal die öffentliche Kritik, die Maas vor der Audienz am Mittwoch äußert, gereicht ihm zum Nachteil. Trotz der ablehnenden Haltung des Vatikan begrüßt er die jüngsten deutschen Segnungsaktionen für homosexuelle Paare als Zeichen der Offenheit. Das heikle Thema des sexuellen Missbrauchs durch Priester klammert er ebenso wenig aus. Das sei eine “Frage, die viele Menschen bewegt”. Es lohne sich, darüber zu sprechen – auch mit dem Papst.

Papst nimmt sich 40 Minuten Zeit

Der nimmt sich am Mittwoch mehr als 40 Minuten Zeit, um mit dem Minister zu sprechen. Im Anschluss bleiben Maas fünf Minuten für die Presse. Es sei ein “sehr persönliches” Gespräch über “existenzielle Fragen” gewesen, berichtet er auf der Piazza del Sant’Uffizio neben dem Petersdom. Während Fotografen Maas ins rechte Bild setzen, erzählt dieser, worum es bei der Unterhaltung ging.

Ein zentraler Punkt waren demnach die Corona-Krise und eine gerechte Verteilung der Impfstoffe. Man wolle gemeinsam dafür sorgen, “dass die Pandemie die Ungleichheiten zwischen Nord und Süd nicht weiter verschärft”, versichert Maas. Er habe in diesem Zusammenhang die deutsche Beteiligung an der internationalen Impf-Initiative Covax hervorgehoben. Auf eine mögliche – auch vom Papst befürwortete – Aussetzung des Patentschutzes für die Corona-Vakzine geht der Politiker mit Bedacht nicht ein. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich kürzlich gegen eine solche Freigabe ausgesprochen.

Papstbesuch in Deutschland?

Am greifbarsten klingt das, was Maas zu Lateinamerika sagt. Dort bahne sich eine engere Zusammenarbeit zwischen Deutschland und dem Heiligen Stuhl an. Wie genau das vonstatten gehen könnte, ist noch unklar. Konkreter äußerte er sich später zur Bootsmigranten-Problematik. Italien dürfe damit “nicht alleine gelassen werden”, sagte Maas nach Gesprächen mit der Regierung in Rom. Deutschland habe sich bereits in der Vergangenheit an der Aufnahme von Schutzsuchenden beteiligt. Das werde auch künftig so gehandhabt. In den vergangenen Tagen waren innerhalb kurzer Zeit mehr als 2.000 Menschen über das Mittelmeer auf der italienischen Insel Lampedusa angekommen.

Möglicherweise kann Berlin bald mit einem Gegenbesuch aus dem Vatikan rechnen, um Details zu besprechen. Weniger ergiebig fiel dem Anschein nach der Austausch bei der Missbrauchsthematik aus. Er sei in dieser Angelegenheit “nicht befugt”, die Worte des Papstes wiederzugeben, lässt Maas die Journalisten wissen. Dann muss er weiter. Der nächste Termin wartet.

Von Alexander Pitz (KNA)