Bonn – Zwei weitere Abschnitte des römischen Limes in Deutschland könnten Weltkulturerbe werden. Das Grenzsystem des Römischen Reiches umfasste einst Teile von Europa, Afrika und Asien.
Er war die Nahtstelle zwischen einem der größten Weltreiche und den germanischen Barbaren: der Limes. Das militärische Grenzsystem des Römischen Reiches erstreckte sich von Schottland im Norden bis an das Schwarze Meer im Osten. Seit den 80er-Jahren verfolgt die Weltkulturorganisation Unesco das Ziel, die Überreste als Weltkulturerbe zu erhalten. Jetzt könnte ein weiterer Schritt beschlossen werden – mit großen Auswirkungen auch in Deutschland.
Mittlerer Abschnitt seit 2005 Welterbe
Wenn sich das Welterbekomitee ab Freitag bis zum 31. Juli zu seiner Online-Sitzung trifft, bewerben sich zwei weitere Abschnitte des Limes für die Liste des Weltkulturerbes: einmal der 997 Kilometer lange westliche Abschnitt des Donaulimes zwischen dem niederbayerischen Bad Gögging und dem ungarischen Kölked; außerdem der Niedergermanische Limes, der von Katwijk an der niederländischen Nordseeküste bis nach Bad Breisig südlich von Bonn reicht.
Bereits 2005 hatte die Unesco den mittleren Abschnitt zum Welterbe erklärt: Der sogenannte Obergermanisch-Raetische Limes führt vom rechtsrheinischen Bad Hönningen bei Bonn bis nahe Regensburg. Ein Bodendenkmal von 550 Kilometern Länge.
Grenzsystem reicht bis Nordafrika und Asien
Zuvor waren 1987 der römische Hadrianswall nahe der heutigen Grenze zwischen England und Schottland und 2008 der weiter nördlich gelegene Antoninuswall zu Welterbestätten erhoben worden. 2005 stimmte die Unesco dem Vorhaben zu, das gesamte römische Grenzsystem, das bis nach Nordafrika und Asien reicht, nach und nach in die Liste aufzunehmen – als eine Kontinente verbindende Welterbestätte.
Das lateinische Wort „limes“ stammt aus der Fachsprache römischer Landvermesser. Es bezeichnete ursprünglich einen Weg, der die Grenze zwischen zwei Grundstücken bildete. Daraus entwickelte sich dann im ersten Jahrhundert nach Christus die Bezeichnung für die militärisch kontrollierte Außengrenze des römischen Reiches.
Keine Staatsgrenze im heutigen Sinne
Allerdings: Diese Grenze hatte wenig mit dem zu tun, was heute unter Staatsgrenzen verstanden wird. Die Weltmacht Rom hielt es für selbstverständlich, das eigene Herrschaftsgebiet jederzeit auf Kosten der Nachbarn zu vergrößern. So wurde die Militärgrenzen zwischen Bonn und Nijmegen zwischenzeitlich als Aufmarschbasis für die geplante Eroberung Germaniens genutzt.
Zugleich stellten die Mauern, Wälle und Wachtürme des Limes anfangs kein starres Verteidigungssystem dar, wie der Historiker Mischa Meier in seiner „Geschichte der Völkerwanderung“ schreibt. Der Limes als Kontaktzone zwischen Römern und Barbaren: An den Durchgängen wurden Zölle erhoben und Märkte veranstaltet. Auch das Eindringen kleinerer Räuberbanden sollte vereitelt werden. Die auf Sicht- oder Hörweite angelegten Wachposten dienten zudem als Frühwarnsystem, das umfangreichere Invasionen frühzeitig erkennen sollte.
Rhein war „nasser Limes“
Zum Limes-System gehörte deshalb eine Kette von Kastellen und Kleinkastellen, in denen die Wach-Einheiten stationiert waren. An stragetischen Punkten im Hinterland standen außerdem kampfbereite Einheiten in Legionslagern bereit, die rasch zu größeren Armeen formiert werden konnten. Im Schutz der Militärläger entstanden Landgüter und Siedlungen – die bis heute weiter existieren, darunter Köln, Bonn, Neuss oder Xanten. Straßen, die die Lager miteinander verbanden, sind bis heute wichtige Verkehrsadern.
Zugleich nutzten die Römer die großen Flüsse: Der Niedergermanische Limes wird auch als „nasser Limes“ bezeichnet, weil der Rhein als natürliche Grenze fungierte. Auf Wälle, Palisaden und Mauern konnte deshalb streckenweise verzichtet werden. Ähnliches gilt für die Donau.
Reste haben bis heute überdauert
Reste von Mauern und Lagern, von Wegen und Straßen: Manches vom Limes hat bis heute überdauert. Das Grenzsystem definiert bis heute auch kulturelle Grenzen zwischen der romanisierten und der nicht romanisierten Welt. Dabei war das zweitgrößte Bauwerk der Welt nach der Chinesischen Mauer Jahrhunderte lang vergessen. Erst die 1892 auf Anregung des Historikers Theodor Mommsen gegründete Reichslimeskommission weckte das Wissen aus dem Dornröschenschlaf. Durch neue archäologische Techniken wie Luftbildarchäologie, Laserscanner und Magnetfeldmessungen hat die Limes-Forschung heute neue Wege gefunden.