Ein weiterer Abschnitt des römischen Limes in Deutschland ist jetzt Weltkulturerbe. Das Grenzsystem des Römischen Reiches umfasste einst Teile von Europa, Afrika und Asien.
Bonn – Er war die Nahtstelle zwischen einem der größten Weltreiche und den germanischen Barbaren: der Limes. Das militärische Grenzsystem des Römischen Reiches erstreckte sich von Schottland im Norden bis an das Schwarze Meer im Osten. Seit den 80er Jahren verfolgt die Weltkulturorganisation Unesco das Ziel, die Überreste der Grenzanlagen als Weltkulturerbe zu erhalten.
Komitee beschließt weiteren Teil des Limes als Weltkulturerbe auszuzeichnen
Am Dienstag beschloss das Welterbekomitee bei seiner Online-Tagung in China, einen weiteren Teil des Limes als Weltkulturerbe auszuzeichnen: den Niedergermanischen Limes, der von Katwijk an der niederländischen Nordseeküste bis nach Bad Breisig südlich von Bonn reicht und dem Verlauf des Rheins folgte.
Mit rund 220 Kilometern hat NRW den größten Anteil. Die Rheinlinie war mit einer Kette von Kastellen gesichert, die zur Keimzelle von Städten wurden. Zwischen Kleve und Bonn sind 19 Kommunen mit archäologischen Spuren aus der Römerzeit beteiligt – darunter etwa der Palast des Statthalters in Köln und die Stadt Colonia Ulpia Traiana bei Xanten.
2005 hatte Unesco mittleren Abschnitt des Limes zum Welterbe erklärt
Bereits 2005 hatte die Unesco den mittleren Abschnitt des Limes zum Welterbe erklärt: Der sogenannte Obergermanisch-Raetische Limes führt vom rechtsrheinischen Bad Hönningen bei Bonn bis nach Niederbayern. Ein Bodendenkmal von 550 Kilometern Länge quer durch Deutschland, geprägt von Grenzwällen, Wachtürmen und Kastellen.
Zuvor waren 1987 der römische Hadrianswall nahe der heutigen Grenze zwischen England und Schottland und 2008 der weiter nördlich gelegene Antoninuswall zu Welterbestätten erhoben worden. 2005 stimmte die Unesco dem Vorhaben zu, das gesamte römische Grenzsystem nach und nach in die Liste aufzunehmen – als eine Kontinente verbindende Welterbestätte.
Ungewöhnlicher Schritt Ungarns
Eigentlich sollte in diesen Tagen auch der südlich gelegene Donau-Limes zum Weltkulturerbe erklärt werden, der von Bayern, Österreich, der Slowakei und Ungarn eingereicht worden war. Ungarn hat sich in einem ungewöhnlichen Schritt kurzfristig zurückgezogen, so dass 400 Kilometer des Donaulimes und 98 von insgesamt 175 römischen Bauten wegfallen würden. Die Unesco richtete deshalb eine Arbeitsgruppe ein, die das weitere Vorgehen klären soll.
Das Wort „limes“ bezeichnet die militärisch kontrollierte Außengrenze des Römischen Reiches. Allerdings: Diese Grenze hatte wenig mit dem zu tun, was heute unter Staatsgrenzen verstanden wird. Sie war – zumindest zeitweise – kein starres Verteidigungssystem, wie der Historiker Mischa Meier in seiner „Geschichte der Völkerwanderung“ schreibt. Der Limes war eine Kontaktzone zwischen Römern und Barbaren: An den Durchgängen wurden Zölle erhoben und Märkte veranstaltet. Auch das Eindringen kleinerer Räuberbanden sollte vereitelt werden. Die auf Sicht- oder Hörweite angelegten Wachposten dienten zudem als Frühwarnsystem, das umfangreichere Invasionen frühzeitig erkennen sollte.
Kette von Kastellen
Zum Limes-System gehörte deshalb eine Kette von Kastellen und Kleinkastellen, in denen Wach-Einheiten stationiert waren. An strategischen Punkten im Hinterland standen kampfbereite Einheiten in Legionslagern bereit, die rasch zu größeren Armeen formiert werden konnten. Im Schutz der Militärlager entstanden Landgüter und Siedlungen – die bis heute weiter existieren, darunter Köln, Bonn, Neuss oder Xanten. Straßen, die die Lager miteinander verbanden, sind bis heute wichtige Verkehrsadern.
Zugleich nutzten die Römer die großen Flüsse: Der Niedergermanische Limes wird auch als „nasser Limes“ bezeichnet, weil er den Rhein als natürliche Grenze nutzte. Auf Wälle, Palisaden und Mauern konnte deshalb streckenweise verzichtet werden.
Kulturelle Grenzen definiert
Das Grenzsystem definiert bis heute auch kulturelle Grenzen zwischen der romanisierten und der nicht romanisierten Welt. Dabei war das zweitgrößte Bauwerk der Welt nach der Chinesischen Mauer Jahrhunderte lang vergessen. Erst die 1892 auf Anregung des Historikers Theodor Mommsen gegründete Reichslimeskommission weckte das Wissen aus dem Dornröschenschlaf. Durch neue archäologische Techniken wie Luftbildarchäologie, Laserscanner und Magnetfeldmessungen hat die Limes-Forschung heute neue Wege gefunden.