Nach Ansicht des Bundesverbands der Katholiken in Wirtschaft und Verwaltung (KKV) haben Christen eine Pflicht, sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen.
Essen/Paderborn – Nach Ansicht des Bundesverbands der Katholiken in Wirtschaft und Verwaltung (KKV) haben Christen eine Pflicht, sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen. „Wir sind als Christen verpflichtet, nicht nur uns, sondern auch unsere Mitmenschen zu schützen“, erklärte der Vorsitzende des KKV-Bundesverbandes, Josef Ridders, am Donnerstag. Deshalb gebe es eine „moralische und ethische Impfpflicht“. Er könne verantwortungsvolle Christen nicht verstehen, die sich und andere gefährdeten, indem sie sich dem überschaubaren Risiko einer Schutzimpfung entzögen.
Allgemeine Impfpflicht sei nicht durchsetzbar
Eine allgemeine Impfpflicht sei sicher nicht durchsetzbar. In bestimmten Berufsgruppen wie im Gesundheits- und Bildungswesen müsse man eine solche Pflicht aber in Betracht ziehen, um etwa den Betrieb von Schulen und Kitas dauerhaft sicherzustellen. Logische Konsequenzen für Impfverweigerer müsse die Übernahme von Testkosten sowie Einschränkungen bei Veranstaltungen oder verschärften Quarantäneregelungen bei Reisen sein.
Auch der Paderborner Moraltheologe und Geistliche Beirat des KKV, Peter Schallenberg, sieht Christen in der Pflicht, sich impfen zu lassen. „Ich persönlich glaube schon, dass man sich im Gewissen ernsthaft befragen muss, wenn man sich nicht impfen lassen will.“ Denn man schütze mit großer Wahrscheinlichkeit nicht nur sich selbst, sondern auch andere gegen Ansteckung.
Ton bei Debatte um Impfpflicht wird rauer
Die Debatte um eine Impfpflicht gegen das Coronavirus nimmt an Schärfe zu. „Sich nicht impfen zu lassen, hat nichts mit Rationalität zu tun, sondern einfach nur mit Eigennutz“, sagte der Bonner Verhaltensökonom Armin Falk, der auch Mitglied der Leopoldina ist, der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Freitag). Und: „Die Allgemeinheit muss hier zahlen für die Trägheit und die Dummheit der Impfgegner.“ Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, rief dagegen zu einer sachlichen Diskussion auf. Die Strategie einer Impfkampagne dürfe nicht spalten, warnte er.
Falk regte in dem Zeitungsbeitrag an, dass der Impfstatus künftig in Abwägungen bei möglichen Triage-Entscheidungen auf Intensivstationen einfließen könne. Es handle sich bei denen, die nicht aus medizinischen Gründen von einer Impfung ausgenommen seien, um ein „Trittbrettfahrertum der übelsten Sorte“. Weil die Nebenwirkungen des Impfens überschaubar und der Nutzen für die Gesellschaft riesig seien, fordert Falk eine „Impfverpflichtung“. Das Mindeste aber müsse es sein, den Zugang zu Restaurants, Reisen und Veranstaltungen für Nicht-Geimpfte zu erschweren, „weil im Moment die Kooperativen die Dummen sind“.
Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, kritisierte dagegen, Skeptiker als Polemiker und Dumme zu bezeichnen. Das sei „sprachlich übergriffig“. Ethisch verunglückt seien auch Gedankenspiele, nicht geimpfte Menschen bei der medizinischen Behandlung zu benachteiligen. „Das ist Diskriminierung der übelsten Art“, so Brysch.
Beratung über weiteres Vorgehen in der Corona-Pandemie.
Politik und Ethikexperten diskutieren weiter über eine Impfpflicht oder mögliche Vorteile für Geimpfte im öffentlichen Leben. Nach Angaben von Berlins Regierendem Bürgermeister Michael Müller (SPD) beraten die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Länder bereits am 10. August zusammen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) über das weitere Vorgehen in der Corona-Pandemie. Ursprünglich war die Konferenz für Ende August anberaumt.
Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) verwies am Dienstag auf die Möglichkeit, Restaurants nur für Geimpfte zu öffnen. „Die Vertragsfreiheit ermöglicht privaten Anbietern wie Gastronomen eine weitgehend freie Gestaltung ihrer Angebote“, sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Wer seinen Gästen einen besonderen Schutz anbieten will, kann deshalb auch Angebote machen, die sich nur an Geimpfte richten.“
Lambrecht: Aussagekraft von Corona-Tests nicht überschätzen
Die Ministerin warnte davor, die Aussagekraft von Corona-Tests zu überschätzen. „Ein Test ist immer nur eine Momentaufnahme und beinhaltet keine schützende Immunisierung.“ Eine Impfpflicht schloss sie abermals aus. Jedoch solle die Allgemeinheit „nicht mehr auf Dauer für Testkosten aufkommen müssen, wenn Menschen ihre Impfangebote nicht wahrnehmen.“
Für eine generelle rechtliche Impfpflicht gibt es nach Ansicht des Tübinger Ethikers Franz-Josef Bormann „aus guten Gründen sehr hohe Hürden“. Der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) sagte Bormann, nach moralischen Maßstäben sei jeder verpflichtet, über eine Impfung nachzudenken, „weil nur sehr wenig dagegenspricht“.
Ethiker:Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen letztes Mittel der Wahl
Für Berufsgruppen wie etwa Altenpflegekräfte oder Krankenhauspersonal kann allerdings aus Sicht des Mitglieds im Deutschen Ethikrat eine Impfpflicht das letzte Mittel der Wahl sein. Jeder habe die Verpflichtung, Schäden für sich und andere möglichst klein zu halten. Impfverweigerer sollen nach Bormanns Vorstellung künftig ihre Tests selbst zahlen, wenn sie ein Impfangebot ausgeschlagen haben.
Auch das Ethikratsmitglied Andreas Lob-Hüdepohl lehnt eine Impfpflicht momentan ab. Wegen der derzeitigen Impfbereitschaft sei sie noch nicht erforderlich, um eine Herdenimmunität zu erreichen, sagte der Berliner katholische Moraltheologe im Inforadio des rbb. Getestete Ungeimpfte könne man nur dann ausschließen, wenn es eine große Differenz in den Sicherheitslagen gebe. „Und dann ist das durchaus legitim, denn es gibt ja für alle ein Impfangebot.“
Wer zahlt die Tests für Ungeimpfte?
Die Medizinethikerin Christiane Woopen sagte dem „Tagesspiegel“: „Keiner hat die Pflicht, überhaupt gar kein Risiko für andere Menschen zu sein. Dann dürften wir alle auch nicht Auto fahren. Wir haben allerdings die moralische Pflicht, auf die Gesundheit anderer möglichst gut aufzupassen und sie nicht willkürlich zu gefährden.“
Zugleich sagte Woopen, dass es auch ein „fundamentaler Eingriff“ sei, Ungeimpfte von „Lebenschancen“ auszunehmen. „Wenn es Möglichkeiten gibt, diese Menschen zum Beispiel durch PCR-Tests nicht von Freiheiten auszuschließen, dann gibt es keine Rechtfertigung für einen Ausschluss. Dann bleibt nur noch zu diskutieren, wer die Tests zahlt.“