Wie halten es die Parteien mit der Religion?

Die zunehmende religiöse Pluralisierung zeigt sich auch in den Parteiprogrammen – etwa in Forderungen nach einer stärkeren Trennung von Kirche und Staat und nach einer Gleichbehandlung aller Religionsgemeinschaften.

Wie halten es die Parteien in ihren Wahlprogrammen mit der Gretchenfrage nach der Religion? Immerhin mussten während der Corona-Pademie zunächst Gerichte und dann die Kirchen selbst die Politik immer wieder an das Grundrecht auf Religionsfreiheit erinnern. Zumindest formal stellt aber keine Partei dieses Grundrecht infrage. Allerdings wächst mit der Säkularisierung und religiösen Pluralisierung bei laizistisch orientierten Parteien die Forderung nach einer klareren Trennung von Kirche und Staat.

Am deutlichsten gilt das für die Linkspartei. „Eine (automatische) Mitgliedschaft von Kindern in Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaften der Eltern lehnen wir ab“, heißt es dort etwa: „Ein Beitritt darf nur selbst und nach Erreichen der Religionsmündigkeit erfolgen“. Das würde eine Reform des Gesetzes über die religiöse Kindererziehung erfordern. Zudem sprechen sich die Linken für ein Ende der Militärseelsorge und des staatlichen Einzugs der Kirchensteuern aus.

Die Grünen geloben, „die gewachsene Beziehung zwischen Staat und den christlichen Kirchen“ zu erhalten, fügen dann aber hinzu, dass dies „wo nötig der gesellschaftlichen Realität“ anzupassen sei. Für viele fast schon übergriffig und alles andere als neutral klingt der Hinweis, die Partei wolle „die vielen Gläubigen, die sich für eine notwendige Modernisierung der christlichen Kirchen einsetzen und auf eine lückenlose Aufklärung der Fälle sexualisierter Gewalt dringen, unterstützen“.

Die FDP möchte das Staatskirchenrecht zu einem Religionsverfassungsrecht weiterentwickeln, um es für alle Religionsgemeinschaften passgerecht zu machen. Was das konkret bedeutet, lassen die Liberalen allerdings offen. Auch die SPD wird wenig konkret bei den Themen rund um Religion und Kirchen. Sie bekennt sich unter anderem zum Schutz der Religionsfreiheit im Grundgesetz und zum interreligösen Dialog und lobt das ehrenamtliche Engagement in den Kirchen. Darüber hinaus kommt das Thema kaum vor.

Einzig die CDU hält ohne Einschränkung am „bewährten Konzept des Religionsverfassungsrechts und zum Kooperationsmodell zwischen Kirche und Staat“ fest. „Die Freiheit der Kirchen und Religionsgemeinschaften, in die Gesellschaft hineinzuwirken, muss daher unantastbar bleiben“, heißt es. Und dazu gehört für sie der Schutz der christlichen Feiertage ebenso wie der Sonntagsruhe. Religionsfreiheit wird „in einem positiven Sinne“ verstanden: „Religionen sollen in der Öffentlichkeit eine starke Stimme sein“.

Wo aber könnte es, je nach Koalition und Konstellation zu Änderungen kommen? Ein umstrittener Punkt ist das kirchliche Arbeitsrecht. Der sogenannte Dritte Weg etwa der Caritas bei der Lohnfindung ist den Gewerkschaften schon lange ein Dorn im Auge. Beim Kampf um die Erhöhung der Pflegetarife kam es unlängst zu einem offenen Konflikt. Die SPD zeigte sich deutlich verärgert. Laut Programm will sie nun „gemeinsam mit den Kirchen“ einen Weg erarbeiten, „ihr Arbeitsrecht dem allgemeinen Arbeits- und Tarifrecht sowie der Betriebsverfassung anzugleichen“.

Die Linken verlangen die Abschaffung des „kirchlichen Sonderarbeitsrechts“. „Die betrieblichen Mitbestimmungsrechte und das Streikrecht müssen auch für die Beschäftigten in Kirche, Diakonie und Caritas uneingeschränkt gelten“, lautet ihre Forderung. Ebenso soll der Tendenzschutz im Betriebsverfassungsgesetz gestrichen werden. Die Grünen möchten, die „gewerkschaftliche Mitbestimmung“ fördern und „Ausnahmeklauseln für die Kirchen im Betriebsverfassungsgesetz und im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz aufheben“. Der religiöse Verkündigungsbereich soll davon aber unberührt bleiben. Die FDP spricht wiederum von „kirchlichen Privilegien im Arbeitsrecht“, die fallen sollen, soweit sie nicht Stellen betreffen, die eine religiöse Funktion ausüben“.

Eine Großbaustelle könnte die Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen werden. Sie ist ein inzwischen über 100 Jahre alter Verfassungsauftrag, der noch in die Weimarer Zeit zurückreicht. FDP, Grüne und Linken haben ihn nach einem gescheiterten Gesetzentwurf im Wahlprogramm wieder aufgegriffen. Bei den Zahlungen handelt es sich nicht um Kirchensteuern, sondern um rechtlich verpflichtende Ausgleichszahlungen des Staates für die Enteignung von Kirchengütern in der Zeit der Säkularisation. Dennoch macht die Summe von über 500 Millionen Euro jährlich nicht nur den Kirchen eine öffentliche Rechtfertigung zunehmend schwer. So könnte es tatsächlich zu jenem Grundsätzegesetz kommen als Voraussetzung für Regelungen zwischen den Bundesländern und Diözesen.

Judentum und Islam nehmen in den Programmen teilweise breiten Raum ein. Geht es beim Judentum aber vor allem um den Kampf gegen Antisemitismus und die Wertschätzung der Kultur, so wird der Islam stärker unter dem Gesichtspunkt kultureller Integration und des Kampfes gegen den Islamismus behandelt. Religionspolitische Fragen im engeren Sinne betreffen hier vor allem die Bildung. Die AfD fordert, islamtheologische Lehrstühle durch eine „bekenntnisneutrale Islamwissenschaft“ zu ersetzen. Ein „bekenntnisgebundener“ Religionsunterricht ist aus Sicht der AfD abzulehnen, weil die islamischen Gemeinschaften „keine kirchenähnliche Struktur“ aufweisen.

Demgegenüber tritt die CDU für ein Imamausbildung in deutscher Sprache ein. Auch Grüne und FDP drängen auf eine Ausbildung hierzulande und eine Unabhängigkeit muslimischer Verbände von ausländischem Einfluss. Die Linke verteidigt hingegen das „Selbstbestimmungsrecht von muslimischen Frauen“, und spricht sich gegen ein Verbot religiös motivierter Bekleidung aus. Ferner verlangen sie die Einführung staatlich geschützter Feiertage für jüdische und muslimische Religionsgemeinschaften.

Von Christoph Scholz (KNA)