Kurschus neue EKD-Ratsvorsitzende

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat eine neue Spitzenrepräsentantin: der neue Rat kürte am Mittwoch die westfälische Präses Annette Kurschus zur Ratsvorsitzenden.
Bremen (KNA) Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat eine neue Spitzenrepräsentantin: der neue Rat kürte am Mittwoch die westfälische Präses Annette Kurschus zur Ratsvorsitzenden. Die 58-jährige ledige Theologin ist die zweite Frau in diesem Amt nach der 2009 gewählten Margot Käßmann, die allerdings schon nach wenigen Wochen zurücktrat.

Annette Kurschus. Foto: EKvW / Jörg Dieckmann

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat eine neue Spitzenrepräsentantin: der neue Rat kürte am Mittwoch die westfälische Präses Annette Kurschus zur Ratsvorsitzenden. Die 58-jährige ledige Theologin ist die zweite Frau in diesem Amt nach der 2009 gewählten Margot Käßmann, die allerdings schon nach wenigen Wochen zurücktrat.

Kurschus im ersten Wahlgang gewählt

Vorangegangen war am Dienstag wieder ein Wahlmarathon der Synode und der Kirchenkonferenz. Es dauerte bis zum Abend, bis nach neun Wahlgängen alle 14 Plätze vergeben waren; Synodenpräses Anna-Nicole Heinrich ist „geborenes“ 15. Mitglied. Jeder der 22 Kandidatinnen und Kandidaten brauchte dafür die Zweidrittelmehrheit der abgegebenen Stimmen. Dass die Synode nach einer Corona-Infektion des mitteldeutschen Landesbischofs Friedrich Kramer kurzfristig ins Internet verlagert wurde, machte die Sache nicht einfacher: Zwar mussten die elektronisch abgegebenen Stimmen nicht mehr von Hand ausgezählt werden, aber die Absprachen zwischen den Wahlgängen waren deutlich erschwert, zumal sich noch nicht alle der 128 Synodalen persönlich kennengelernt haben.

Kurschus wurde bereits im ersten Wahlgang in den Rat gewählt und ließ damit ihre von vielen als Favoritin gehandelte Hamburger Kollegin Kirsten Fehrs hinter sich, die es erst in der zweiten Runde schaffte. Wie bereits das Kirchenparlament ist auch der Rat jünger geworden; die Hälfte der Gewählten sind wie bisher Frauen. Neu hinzugekommen sind etwa die bisherige Referatsleiterin im Auswärtigen Amt, Silke Lechner (47), die Juristin Anna von Notz (37) und die in den Sozialen Medien bekannte Büdelsdorfer Pastorin Josephine Teske (35). In den Rat gewählt sind auch der sächsische Landesbischof Tobias Bilz, Kirchenpräsident Volker Jung (Hessen-Nassau), die Politiker Kerstin Griese (SPD) und Thomas Rachel (CDU), die Universitäts-Professoren Jacob Joussen und Michael Domsgen, der Unternehmer Andreas Barner, die hannoversche Landeskirchenamtspräsidentin Stephanie Springer und Michael Diener, Dekan in Germersheim.

Aufarbeitung sexueller Gewalt in der evangelischen Kirche

Inhaltliches Schwerpunktthema der Synode war wieder einmal die Aufarbeitung sexueller Gewalt in der evangelischen Kirche. Nachdem der Rat im Frühjahr den erst ein halbes Jahr zuvor gegründeten Betroffenenbeirat nach Konflikten „ausgesetzt“ hatte, war die Stimmung bereits im Vorfeld gereizt. Der scheidende Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm ging in seinem letzten Bericht ausführlich auf das Thema ein und zeigte sich unzufrieden mit der Situation. „Wir sind manchen Schritt vorangekommen, aber dennoch muss ich an dieser Stelle auch selbstkritisch sagen: Wir sind noch nicht so weit gekommen, wie wir wollten“, sagte der bayerische Landesbischof.

Die Kirchen stünden mit Recht im Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit: „Zu groß ist die moralische Fallhöhe, wenn das mit sexualisierter Gewalt verbundene Unrecht in einer Institution geschieht, deren ureigener Auftrag es ist, das Doppelgebot der Liebe zu leben – Gott lieben und den Nächsten und die Nächste lieben.“ Viel zu oft sei das mit sexueller Gewalt verbundene Unrecht in den eigenen Reihen nicht gesehen worden, „oder man wollte es nicht sehen“.

Der Braunschweiger Bischof Christoph Meyns legte am Montag seinen Bericht als Vorsitzender des Beauftragtenrates zum Schutz vor sexualisierter Gewalt vor. Dazu waren auch Betroffene eingeladen, die ihre Kommentare abgeben konnten. Für Unmut hatte es teilweise gesorgt, dass sie ihre Statements vorab einreichen sollten – dabei ging es aber nicht um Zensur, sondern um ihre Aufnahme in die Tagungsunterlagen. Meyns äußerte sich „zutiefst bestürzt“ darüber, dass Missbrauch in seiner Kirche „möglich war und ist“ und bezeichnete es als Daueraufgabe, diesen in den eigenen Reihen zu verhindern.

Umfassende Studie bis 2023

Eine umfassende Studie zu sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche und der Diakonie solle bis 2023 vorliegen. Zudem werde sich die EKD finanziell an einer möglichen Dunkelfeldstudie für Missbrauch in der Gesellschaft beteiligen, die der Nationale Rat gegen sexuelle Gewalt an Kinder vorgeschlagen hatte. Zur Aussetzung des Betroffenenbeirats erklärte Meyns, nach fünf Rücktritten und einer Spaltung des verbliebenen Beirats habe keine Vertrauensbasis für eine weitere Zusammenarbeit mehr bestanden. Der Beauftragtenrat werde eine neue Struktur für einen Beirat schaffen. Es solle dazu eine Expertise erstellt werden.

Den Betroffenen, die sich zu Wort meldeten, war dies alles nicht genug. „Machen Sie das Thema Aufarbeitung von Missbrauch zur Chefsache!“, „Verstecken Sie sich nicht weiter hinter der katholischen Kirche!“ und „Wir brauchen einen radikalen Wandel der Kirchenkultur im Umgang mit sexualisierter Gewalt!“, sagten sie. Bisher sei viel zu wenig passiert. Bischöfin Fehrs, Vorgängerin von Meyns, übte ebenfalls Selbstkritik: Konzept des Beauftragtenrates sei es gewesen, „nicht als machtvolle Kirche“ aufzutreten. Das sei offenbar nicht gelungen, sagte sie sichtlich bewegt und den Tränen nahe. Ihr sei aber auch klar, dass der 11-Punkte-Plan, den sie maßgeblich aufgesetzt hatte und der unter anderem die Einrichtung einer Anlaufstelle beinhaltet, nur ein erster Schritt gewesen sei.

Präses Heinrich betonte vor Journalisten, die Synode werde sicherstellen, dass Betroffene besser gehört werden. „Es ist dringend notwendig, dass wir als Kirche nicht die Deutungshoheit darüber beanspruchen, was passiert ist“, so die Präses. Eine eigene synodale Kommission solle eingerichtet werden, die sich fortlaufend mit dem Thema der sexualisierten Gewalt in der Kirche beschäftigen und die für eine Vernetzung mit dem Beauftragtenrat und den Betroffenen sorgen solle. Geplant ist auch eine Verschärfung des kirchlichen Disziplinarrechts. Auch die Begleitung von Betroffenen soll verbessert und der Zugang zu Informationen für sie erleichtert werden. Heinrich: „Das Ziel ist: Null Toleranz für Täter, maximale Transparenz für Betroffene.“

Kurschus: Menschenwürde auch an den Grenzen hochhalten

Die neue Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, hat eine europäische Migrationspolitik gefordert. Es gelte, die Menschenwürde auch an den Grenzen hochzuhalten, sagte Kurschusam Mittwoch vor Journalisten am Rande der EKD-Synode in Bremen mit Blick auf die aktuelle Situation an der polnisch-belarussischen Grenze. „Solange wir keine legalen Migrationsmöglichkeiten haben, wird die illegale Migration immer wieder zum Problem werden“, fügte sie hinzu.

Von Norbert Zonker (KNA)