Der katholische Dresdener Bischof Heinrich Timmerevers hat sich für eine Impfpflicht ausgesprochen.
Dresden — Der katholische Dresdener Bischof Heinrich Timmerevers hat sich für eine Impfpflicht ausgesprochen. „Ich sehe, dass der Staat im Moment noch mit dem milden Mittel der Überzeugung versucht, die Verantwortung beim Einzelnen zu belassen. Ich halte es ethisch aber vertretbar, eine Impfpflicht einzuführen“, sagte Timmerevers im Interview der „Dresdner Neuesten Nachrichten“ (Montag). „Wo die eigene Freiheit um den Preis der Gefährdung anderer definiert wird, macht sie unser gesellschaftliches Solidarsystem kaputt und ist Egoismus mit Scheuklappen für die Not des Anderen.“
Sachsen ist aktuell das Bundesland mit der niedrigsten Impfquote (knapp unter 60 Prozent) und der höchsten Inzidenz von 960,7. Seit diesem Montag gilt ein Teillockdown mit weitreichenden 2G-Regelungen. Gottesdienste dürfen nur unter 3G-Auflage stattfinden. Alle Kultur- und Freizeiteinrichtungen bleiben geschlossen. Großveranstaltungen, Feste, Messen und Weihnachtsmärkte sind untersagt. Die Überlastungsstufe, die sich an der Belegung der Intensivstationbetten bemisst, ist seit vergangener Woche im Freistaat überschritten. Alles deute darauf hin, so Timmerevers, dass es in den kommenden Wochen in Sachsen nicht mehr ausreichend Ressourcen geben werde, um alle bestmöglich behandeln zu können: „Deswegen wäre mir sogar lieber, wenn wir noch konsequenter wären und neben 2G in den kommenden Wochen für alle auf Testungen setzen, also das sogenannte 2G plus.“
Zugleich betonte das Oberhaupt des Bistums Dresden-Meißen, dass für medizinische Notfälle der Impfstatus keine Rolle spielen dürfe: „Vorrang hat immer jene Person, die dringender eine Behandlung benötigt. Dabei muss aber egal sein, ob die Person geimpft oder ungeimpft ist.“ Es könne sein, dass dies dem Gerechtigkeitsempfinden vieler widerspreche und Ärzte sowie pflegendes Personal auch demotiviere, räumte der Bischof ein: „Aber ich kenne keinen Zusatz im Grundgesetz, dass die Würde des Menschen nur für Geimpfte gilt. Und christlich gesprochen wurzelt diese Haltung zutiefst in der Nächstenliebe ohne Ansehen der Person. Im Ernstfall muss gelten: Vor aller Leistung und trotz aller Schuld.“
Die Pandemie sei ein „Charaktertest“, hob Timmerevers hervor. „Ich wünsche mir eine Bereitschaft der Menschen, die sich bisher nicht impfen lassen haben, ihre Haltung zu überdenken und aus der Verantwortung für den anderen und für die Gesellschaft sich impfen zu lassen. Und ich wünsche mir von jenen, die schon geimpft sind, dass sie nicht abschätzig auf die anderen herabschauen, sondern sie ermuntern, Freiheit und Verantwortung zusammenzudenken.“ Er warnte davor „die Spirale der Beschimpfungen“ weiterzudrehen: „Jede Stigmatisierung ist die Schaufel, um den Graben des anderen noch tiefer zu graben. Genau das brauchen wir im Moment am wenigsten.“