Armutsforscher Butterwegge: „Inflation trifft Arme härter“

In der Diskussion, ob eine steigende Inflation Armen oder Reichen mehr schadet, widerspricht Armutsforscher Christoph Butterwegge dem Münchner Ifo-Institut.
In der Diskussion, ob eine steigende Inflation Armen oder Reichen mehr schadet, widerspricht Armutsforscher Christoph Butterwegge dem Münchner Ifo-Institut.

Prof. Dr. Christoph Butterwegge ist Professor für Politikwissenschaft am Institut für vergleichende Bildungsforschung und Sozialwissenschaften an der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln. Autor des Buches Armut in Deutschland -Foto: Wolfgang Schmidt

In der Diskussion, ob eine steigende Inflation Armen oder Reichen mehr schadet, widerspricht Armutsforscher Christoph Butterwegge dem Münchner Ifo-Institut. Das hatte kürzlich erklärt, aktuell seien Menschen mit höheren Einkommen am stärksten von Preissteigerungen betroffen. “Ich finde es perfide und paradox, wenn man Reiche zu Opfern der Inflation erklärt”, sagte Butterwegge der “Süddeutschen Zeitung” (Montag). Seiner Ansicht nach ist es genau andersherum: Arme, Gering- und Normalverdiener litten besonders unter den hohen Preisen.

An diesem Montag gibt das Statistische Bundesamt die Inflationsrate für November bekannt. Die Bundesbank ging zuletzt davon aus, dass es im November fast sechs Prozent sein könnten. Das wäre der höchste Wert seit 40 Jahren. Forscher Butterwegge wirft dem Ifo und anderen Wirtschaftsinstituten methodische Mängel vor: “Es ist ein häufiger Fehler, dass Arme und Reiche nur über das Einkommen zueinander in Beziehung gesetzt werden.” Entscheidender für die soziale Ungleichheit sei aber das Vermögen. Arme hätten schlichtweg keines, ihr geringes Einkommen gehe vollständig für Lebensmittel, Miete und Heizen drauf.

Nach Ansicht des Armutsforschers beschleunigt die hohe Inflation eine seit 15 Jahren andauernde Entwicklung, nach der die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergehe: “Die Bezieher von Hartz IV sind, gemessen am mittleren Einkommen in Deutschland, immer ärmer geworden.” Dabei sei auch zu bedenken, dass Arbeitslose unter den stark gestiegenen Energiepreisen besonders litten, weil sie häufig zu Hause seien und mehr heizen müssten.

In einer solchen Situation die These zu verbreiten, dass Reiche der Preisauftrieb stärker treffe als Arme, sei geradezu “makaber”, so Butterwegge: “Wer mehr als 5.000 Euro netto im Monat verdient, den bringt es nicht um, wenn seine Lebenshaltungskosten um 4,8 Prozent steigen.” Einen Paketboten in München mit 1.300 Euro netto machten um 4,8 Prozent höhere Preise aber noch ärmer.

Der Armutsforscher fordert, dass die Politik einen Ausgleich dafür schafft. Die Regelsätze für Hartz IV müssten um eine Inflationskomponente erweitert werden, nötig sei zudem ein Heizkostenzuschuss. Die Erhöhung des Mindestlohnes auf zwölf Euro pro Stunde, den die Ampel-Koalition gerade beschlossen hat, sei ein erster Schritt, dem weitere folgen müssten.

kna