Die „Casa Amigo“ der Amigonianer hilft Grundschülern vieler Nationalitäten dabei, in Deutschland Fuß zu fassen.
Gladbeck – Die ,,Casa Amigo“ will ihnen den Alltag erleichtern: Im Jugendhilfe-Treff der Amigonianer in Gladbeck-Brauck können 14 Kinder unterschiedlicher Nationalität lernen und ihre Freizeit verbringen. Das Ziel: Im Stadtteil anzukommen. Die meisten Kinder im Treff sind muslimisch geprägt. Verantwortlich für die Grundschulkinder und die Einrichtung sind zwei Angestellte und Pater Gisbert Lordieck, der den Treff leitet. Lordieck, Priester und Jugendarbeiter, kam 2019 mit seinen Mitbrüdern Pater Ralf und Pater Juan von Köln ins Ruhrgebiet. „Wir wollten unseren Amigonianer-Standort in Gelsenkirchen stärken. Bewusst haben wir uns einen Stadtteil ausgesucht, wo’s brennt – in Gelsenkirchens Nachbarschaft.“
In Brauck leben die drei als Ordensleute und leisten soziale Arbeit für Familien und Jugendliche mit all ihren Herausforderungen. Das entspricht der Tradition der in Spanien gegründeten Amigonianer, die jetzt auch in Brauck sowie in Gelsenkirchen-Feldmark zuhause sind. Wenn die Sechs- bis Zehnjährigen in der Casa Amigo nach den Hausaufgaben spielen oder den früheren Pfarrgarten nutzen, ergeben sich engere Kontakte zu dem pädagogischen Team. Nebenbei erzählen die Kinder vom Zuhause, der Familie und dem, was der Alltag an Herausforderungen in Deutschland mitbringt. Für Pater Lordieck und das Casa-Team zählt zunächst, dass die Grundschüler gut Deutsch lernen. „Nach Jahren in Gladbeck hilft ihnen das im sozialen Umfeld besser anzukommen.“ Lernen und ankommen, berichtet der 55-Jährige, funktioniere nach der Zuwanderung der Eltern als Migranten oder fünf Jahre nach der Flucht 2015/16 für Kinder und Familien keineswegs automatisch.
Dafür kennt Pater Gisbert zwei Gründe: „Die Kinder und ihre Familien spüren in Deutschland das Gefühl, willkommen zu sein, noch zu selten“. Und: „Viele Eltern können ihre Kinder in sozialen Kontakten mit deutschen und anderen Freundinnen und Freunden wenig unterstützen.“ Wichtig wurde die Casa vor diesem Hintergrund seit 2019 für das Hineinwachsen der Kinder ins Leben in Brauck. Durch das warme Essen, schulische Hilfen und Freizeitkontakte ist der Treff ein Fixpunkt im Tageslauf der Kinder. Pater Gisbert erklärt: „Es ist unser Ziel, dass die Grundschüler sich entfalten und weiter entwickeln.“
Für das Gesamtprojekt Casa Amigo, für zwei Jahre finanziert vom Innovationsfonds des Ruhrbistums und vom Gladbecker Bündnis für Familie und Erziehung, sieht Pater Gisbert durchaus zusätzliche Entwicklungschancen. „Wir könnten mehr Plätze als die 14 brauchen.“ Zudem sei aktuell auch eine Ausweitung des Konzepts – etwa für ältere Heranwachsende – noch Wunschdenken. Pater Gisbert hat allerdings Gespräche mit der Stadt: ,,Mit Blick auf das Leben von Kindern und Jugendlichen im alten Arbeiterviertel Brauck sind sowohl weitere Plätze für die Schülerbetreuung nach Mittag wie für eine reguläre Öffnung für Jugendliche weiterführender Schulen lohnend.“
Für den Alltag der Kinder, Jugendlichen und Familien zählten außerdem die dauerhaften Kontakte der Casa Amigo mit Trägern örtlicher Jugendarbeit, Moschee-Gemeinden und der Caritas, die auch Anbieter des aktuellen Offenen Ganztags an der Südparkschule wie Lieferant des Mittagessens der Casa ist. Die Kontakte in alle Richtungen zum Nutzen der Kinder sind den Braucker Amigonianern wichtig. Zu Beginn seiner Zeit in Brauck entdeckte Pater Gisbert hier Menschen, ihr Leben im Alltag und Kooperationspartner auf seinen Wegen mit dem Fahrrad im Ort am intensivsten. „Uns alle verbinden Kontakte und Ziele für den Stadtteil.“ Egal, ob bei Gesprächen in Schulen, mit Sozialverbänden oder an der Marienkirche zähle gemeinsames Denken und Handeln. „Aktive müssen mit all ihren Kontakten sehen, dass wir Kinder und die Familien hier Schritt für Schritt voranbringen.“
Rund zweieinhalb Jahre nach seiner Ankunft in Brauck ist Pater Gisbert in dieser Sache auch stadtweit in Gladbeck unterwegs. ,,Menschen an der Moschee nehmen mich als Priester auch in sozialen Fragen ernster, als wenn ich kein Theologe wäre“, sagt er. „Wir reden über Jugend rund um Moscheen und Kirchen, die Situation von Familien und offene Fragen beim Zusammenleben im multinationalen Stadtteil.“ Aus seiner Sicht kommt es gesellschaftlich auf Integration zwischen deutschen Bewohnern, den vor Jahren Geflohenen und Migranten an. Wenn das alltäglicher funktioniere, gäbe es auch für Jugendliche weniger Hürden auf dem Weg zur Eigenständigkeit und hinein in die Gesellschaft.