Moskau und Rom hatten zu jeder Zeit schwierige Beziehungen

Die Kirchen in der Ukraine wünscht sich entschlossenere Töne Roms gegenüber Moskau. Doch der Vatikan bevorzugt eher stillere Kanäle – über die dann vermittelnde Kontakte laufen können.
Moskau und Rom hatten zu jeder Zeit schwierige Beziehungen. Die Kirchen in der Ukraine wünscht sich entschlossenere Töne Roms gegenüber Moskau. Doch der Vatikan bevorzugt eher stillere Kanäle - über die dann vermittelnde Kontakte laufen können.

Moskau und Rom hatten zu jeder Zeit schwierige Beziehungen. In der aktuellen Krise setzt Rom auf leise Töne. –Foto: pixabay

Der Vatikan muss sich zum Moskauer Angriffskrieg in der Ukraine verhalten. Das tut er sicher nicht gern. Denn gerade schienen die Vorzeichen einer seit über 1.000 Jahre schwierigen Beziehung endlich heller zu werden. Seit Papst Benedikt XVI. (2005-2013) hat sich das Verhältnis zwischen den Kirchen von Rom und Moskau gebessert. Es ist ein Stück europäischer Geschichte von Trennungen und Konflikten.

Durch seine Taufe reihte sich Wladimir, Fürst der Kiewer Rus, im Jahr 988 in die Familie der christlichen Könige des Mittelalters ein. Die Wiege des russischen Christentums steht mithin in Kiew, der Hauptstadt der Ukraine, die dieser Tage von russischen Panzern erobert zu werden droht.

Der historische Bruch zwischen Ost- und Westkirche in Konstantinopel 1054 wirkt sich nicht sofort in Kiew bzw. Moskau aus. Doch Ende des 11. Jahrhunderts erstarkt die sogenannte „griechische“, also byzantinische Kirche in der Rus. Nach der Distanzierung zwischen der russischen Kirche und Byzanz bevorzugt man in Russland allerdings die Selbstbezeichnung „Orthodoxe“ (Rechtgläubige) statt „Griechen“.

Mit der Wahl eines „Metropoliten von Kiew und ganz Russland“ 1448 sind Moskau und die byzantinische Mutterkirche fortan faktisch getrennt. Das Moskauer Patriarchat (ab 1589) wehrt künftig jede Missionierung durch andere Religionsgemeinschaften konsequent ab. Im Russisch-Polnischen Krieg (1558-1583) vermittelt der Papst. Im 17. Jahrhundert streckt das katholische Polen zweimal vergeblich die Hand nach der Zarenkrone aus.

Erst Zar Peter I. (1689-1725) ändert Russlands staatliche Kirchenpolitik. Er will westliche Fachleute ins Land holen, ohne Rücksicht auf ihre Konfession. Durch diese politischen Zeitläufte wächst die katholische Bevölkerung im Russischen Reich ständig. Als sich Moskau in den Polnischen Teilungen (1772-1795) die Ukraine einverleibt und 1815 „Restpolen“ an Russland fällt, kommen Millionen Katholiken unter russische Herrschaft.

Unter Alexander I. (1801-1825) wendet sich das Blatt erneut: In den 1840er Jahren erlässt der Zar rund 40 antikatholische Anordnungen. Ein vorübergehendes relatives Einvernehmen Moskaus mit Rom zerbricht über den neuerlichen polnisch-russischen Konflikt. Alexander II. (1855-1881) strebt dann eine „Germanisierung“ des katholischen Klerus an, um die Polen zu verdrängen. Die in der Führung des Zarenreiches immer wichtigeren „Baltendeutschen“ sind aber meist evangelisch.

Oktoberrevolution 1917 schafft neue Verhältnisse

Nach der Oktoberrevolution von 1917 beginnt eine offen religionsfeindliche Politik der Bolschewisten. Im Zuge von Bürgerkrieg und Hungersnöten werden die Religionsgemeinschaften enteignet. Die katholische Kirche wird faktisch liquidiert, Priester verfolgt und ermordet. Die Verurteilung des „gottesleugnerischen Kommunismus“ durch Pius XI. 1937 führt zu einer neuen sowjetischen Hetzkampagne gegen Papst und katholische Kirche.

Nach dem Zweiten Weltkrieg bringt die Eingliederung der baltischen Staaten und Ostpolens Millionen Katholiken des lateinischen und des byzantinischen Ritus wieder unter Sowjetherrschaft; es folgt ein Jahrzehnt stalinistischer Verhaftungen, Enteignungen, Terror und Hetzpropaganda.

Mitten im Kalten Krieg nehmen Johannes XXIII. (1958-1963) und die Sowjetunion unter Nikita Chruschtschow einen Gesprächsfaden auf. Die entstehende „neue vatikanische Ostpolitik“ wird von den einen als eine Konzession an den Feind abgelehnt, von den anderen als ein notwendiger Dialog verstanden. In der Kuba-Krise richtet der Papst einen historischen Friedensappell an die USA und die Sowjets.

Sein Nachfolger Paul VI. (1963-1978) verhindert, dass das Zweite Vatikanische Konzil den Kommunismus verurteilt. Ein Teil der Moskauer Orthodoxie verurteilt den „Ökumenismus“ des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) als eine „Häresie“. Man fürchtet, dass sich Rom als Sprachrohr und Zentrum aller Christen positioniert.

Mit Johannes Paul II. (1978-2005) wird ein Kirchenvertreter aus dem kommunistischen „Ostblock“ Papst – ein Vertreter des polnischen Katholizismus, dem historischen Antipoden der russischen Orthodoxie. Johannes Paul II. trägt nach Meinung von Historikern entscheidend zum Fall der sozialistischen Regime bei. 1990 werden die seit Jahrzehnten unterbrochenen diplomatischen Beziehungen zwischen Moskau und dem Vatikan wieder aufgenommen. Neue Religionsgesetze sichern Glaubens- und Gewissensfreiheit zu.

In den folgenden zwei Jahrzehnten wiedererstarkt die russisch-orthodoxe Kirche unter den Präsidenten Boris Jelzin (1991-1999) und Wladimir Putin (2000-2008 und seit 2012) deutlich. Eine Übereinstimmung von Staat und orthodoxer Kirche auf der Basis „gemeinsamer russischer Werte“ wird betont. In der Neufassung des russischen Religionsgesetzes 1997 erhält die Orthodoxie eine Vorrangstellung, im Rückgriff auf die Zarenzeit. Die katholische Kirche wird nicht erwähnt, sondern unter den „nichttraditionellen“ Religionsgemeinschaften subsumiert.

In der Ukraine – die die russische Orthodoxie seit jeher als ihr kanonisches Territorium ansieht – gibt es Auseinandersetzungen zwischen den Orthodoxen und den mit dem Papst verbundenen Byzantinern („Unierten“) um die Rückerstattung von historischem Kircheneigentum im Zuge von kommunistischer Verstaatlichung und Zwangsfusionen.

2002 gründet Johannes Paul II. ein Moskauer Erzbistum sowie drei weitere römisch-katholische Diözesen für Russland. Das Moskauer Patriarchat reagiert scharf und beschuldigt Rom der Abwerbung von Gläubigen. Die Beziehungen trüben sich nachhaltig ein – eine neuerliche Eiszeit.

Beziehungen hatten sich zuletzt verbessert

Erst unter Benedikt XVI. und Franziskus verbessert sich das Klima zwischen Moskau und Rom wieder deutlich – unter den Vorzeichen einer gemeinsamen Wertevermittlung und einer Zusammenarbeit in drängenden Weltfragen, etwa der Christenverfolgung im Nahen Osten oder der ökologischen Krise. Selbst die Annexion der ukrainischen Krim 2014 stand der historischen Annäherung zunächst nicht mehr dauerhaft im Weg.

Nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine vergangene Woche wählte Papst Franziskus einen ungewöhnlichen Weg der Diplomatie: Das Staats- und Kirchenoberhaupt suchte persönlich den russischen Botschafter auf – statt diesen, wie protokollarisch üblich, zu sich einzubestellen. Der Papst weiß natürlich: Auch die Religionsfreiheit und das Schicksal der seit 1990 von Moskau unabhängigen Kirchen stehen dieser Tage auf dem Spiel.

kna