Bischof Kohlgraf: „Friedensethisches Dilemma“ in der Ukraine

Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf, Vorsitzender der katholischen Friedensbewegung Pax Christi in Deutschland, sieht angesichts des russischen Kriegs in der Ukraine ein „friedensethisches Dilemma“.
Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf, Vorsitzender der katholischen Friedensbewegung Pax Christi in Deutschland, sieht angesichts des russischen Kriegs in der Ukraine ein "friedensethisches Dilemma".

Bischof Peter Kohlgraf (Foto: Bistum Mainz)

Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf, Vorsitzender der katholischen Friedensbewegung Pax Christi in Deutschland, sieht angesichts des russischen Kriegs in der Ukraine ein „friedensethisches Dilemma“. Einerseits stünden die Kirche und die katholische Friedensethik „immer für eine gewaltfreie Lösung“, sagte Kohlgraf am Freitag im Deutschlandfunk. Andererseits gebe es aber auch die Verpflichtung dazu, Menschen zu helfen, sich zu verteidigen.

„Wir sind schon in dem Dilemma, Menschen dürfen befähigt werden, sich selbst zu verteidigen, ihre Familien, ihre Dörfer und Städte zu verteidigen. Ich glaube, das darf man auch als katholischer Bischof und auch als Friedenethiker sagen“, so der Mainzer Bischof. Zugleich müsse man sich jedoch die Frage stellen, inwieweit eine waffenmäßige Verteidigung eine Verhältnismäßigkeit der Mittel gefährde. Derzeit sei es daher wichtig, „alle deeskalierenden Möglichkeiten auszuschöpfen“, etwa Sanktionen, Verhandlungen und soziale Hilfen.

Kohlgraf lobte in dem Zusammenhang das Verhalten des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Er kommuniziere „sehr eindeutig über die Folgen des Krieges“ und mache deutlich, dass nicht nur die Ukrainer, sondern auch die russischen Männer, die in den Krieg geschickt würden, Opfer seien. „Ich glaube, dass das auch wichtig ist, dass nach Russland zu kommunizieren, ihr unterliegt einer Propagandamaschine.“

Gefragt, ob ein Tyrannenmord an Putin gerechtfertigt sein könne, betonte Kohlgraf: „Bei Hitler war man damals so weit, ob jetzt der Tyrannenmord als Ultima Ratio, also als letzte Möglichkeit im Blick ist, weiß ich nicht, ich wäre da vorsichtig.“ Dennoch stelle auch er fest, „dass die wenigsten Diktatoren friedlich im Bett gestorben sind“.

Mit Blick auf die Lehre vom sogenannten gerechten Krieg äußerte sich Kohlgraf zurückhaltend. Die Definition und die Kennzeichen eines gerechten Krieges seien sehr abstrakt. Zudem habe es zuletzt vor allem mit Blick auf atomare Bedrohungen wachsende Zweifel an der entsprechenden Lehre gegeben. Stattdessen habe sich „eher eine Sprache vom gerechten Friede etabliert“.

Kritisch äußerte sich Kohlgraf mit Blick auf „die innige Beziehung“ zwischen der russisch-orthodoxen Kirche und der politischen Macht in Russland. Es sei grundsätzlich problematisch, „politische Macht mit theologischen Motiven zu fundieren“. Krieg und Gewalt gegen andere könnte nie theologisch gerechtfertigt werden, betonte er.

Der Mainzer Bischof verwies auch auf die Rolle von Papst Franziskus, der zuletzt den russischen Botschafter im Vatikan aufgesucht hatte. Diese sei nicht zu unterschätzen. „Ich bin fest davon überzeugt, dass im Hintergrund ganz ganz viel an politischen und auch kirchenpolitischen Verhandlungen läuft“, so Kohlgraf.

kna

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