Vier Tage lang haben die katholischen deutschen Bischöfe miteinander diskutiert. Neben theologischen Streitfragen beschäftigte sie vor allem der Krieg in der Ukraine – und die Lage im Erzbistum Köln.
Vierzehnheiligen – Hoch oben über dem sanft geschwungenen Maintal steht die berühmte Wallfahrtskirche von Vierzehnheiligen. Doch ihre barocke Pracht scheint derzeit nur wenige Pilger anzuziehen. Die Holzverschläge vieler Händler für Kerzen, Rosenkränze und Marienfiguren sind geschlossen, andere stehen vor ihren Auslagen und warten auf Kundschaft. Die Corona-Pandemie hat auch Wallfahrten stark beeinträchtigt, und die Kirchenkrise hinterlässt Spuren bis tief in die oberfränkische Provinz.
Theologische Grundsatzdebatte
Wenige hundert Meter unterhalb der sonnengefluteten Fassade der Basilika von Vierzehnheiligen haben in dieser Woche die deutschen Bischöfe um Wege gerungen, diese Krise zu überwinden. Drei Themen dominierten die Versammlung. Den mit Abstand breitesten Raum nahmen die Diskussionen über den Synodalen Weg ein. Erstmals seit dem Start dieses gemeinsam mit dem Laien-Dachverband ZdK unternommenen Reformprojekts wagten die 66 anwesenden Bischöfe eine theologische Grundsatzdebatte in ihren eigenen Reihen.
Sie dauerte fast zwei Tage, und wird von Teilnehmern als nachdenklich, streckenweise kontrovers, aber stets konstruktiv beschrieben. Die Bischöfe setzten bewusst nicht auf Vorträge fremder Fachleute, sondern referierten und diskutierten selbst – unter Beteiligung von Schlüsselfiguren des Synodalen Wegs, zu denen auch Theologieprofessoren wie Dorothee Sattler und Thomas Söding gehören. Von einem veränderten Klima war anschließend die Rede. Der Vorsitzende, Bischof Georg Bätzing, der deutlich weniger dominant auftritt als sein Vorgänger Marx, dürfte dazu beigetragen haben. Und dass eine professionelle externe Moderatorin beauftragt wurde, die Debatte zu leiten, scheint dem Debattenklima ebenfalls gutgetan zu haben.
Und so konnten strittige Themen wie die kirchliche Lehre zur Homosexualität ebenso offen debattiert werden wie die Frage der Zulassung von Frauen zu Weiheämtern – mit fairen Chancen auch für die konservative Minderheit und inklusive der darunter liegenden theologischen Grundsatzfragen wie „Was ist menschliche Sexualität, was ist Geschlechtlichkeit?“ und „Wie wandelt sich kirchliche Lehre?“. Anders als beim Synodalen Weg, wo die Redezeit oft nur eine Minute beträgt, konnten die Bischöfe sich jeweils sechs Minuten Zeit lassen, um ihre Standpunkte vorzutragen und ausführlich zu begründen. Und neben den Debatten im Plenum gab es vertiefende Diskussionen in Arbeitsgruppen.
Sperrminorität ist weniger wahrscheinlich geworden
Die von manchen befürchtete, von anderen herbeigesehnte Möglichkeit, dass bei künftigen Versammlungen des Synodalen Wegs eine Sperrminorität von mindestens 23 Bischöfen die meisten Reform-Papiere blockieren könnte, ist damit nicht aus der Welt. Aber sie ist weniger wahrscheinlich geworden. Auch die kalte Dusche aus dem Norden, die von den Mitgliedern der kleinen Nordischen Bischofskonferenz in Tromsö nach Oberfranken geschickt wurde, hat daran nichts geändert. Sie schrieben einen offenen Brief an die deutschen Mitbrüder und warnten darin vor einer „Verarmung der Glaubensinhalte“ durch die Beschlüsse des Synodalen Wegs.
Nach dem Vorsitzenden der Polnischen Bischofskonferenz hat damit bereits ein zweiter Nachbar besorgt in Deutschland angeklopft und vor einer Preisgabe der Einheit in Glaubensfragen gewarnt. Der Brief war in seiner Diktion weniger polemisch und düster als der aus Polen. Aber dass in beiden Fällen die Form des Offenen Briefs gewählt wurde, obwohl man regelmäßig miteinander im Austausch ist, hat nicht nur den deutschen Bischofskonferenz-Vorsitzenden irritiert.
Neben der innerkirchlichen Reformdebatte war der Krieg in der Ukraine das zweite dominierende Thema. Hier zeigten sich bei aller Einigkeit in der Verurteilung der russischen Aggression auch Divergenzen. Sie reichten vom eher rüstungsfreundlichen Standpunkt des Militärbischofs bis hin zu nahezu pazifistischen Haltungen. Dies führte in der Resolution der Bischofskonferenz zum Krieg in der Ukraine zu Kompromissformeln. So heißt es dort, dass die neuen Vorgaben der Bundesregierung zur massiven Ertüchtigung der Bundeswehr „nicht pauschal mit politischen Kampfbegriffen wie ,Aufrüstungspolitik“ oder ,Militarisierung der Außenpolitik“ belegt werden sollten“.
Bätzing auch Woelki und Erzbistum Kölnhaben „eine zweite Chance“
Ein drittes Thema der Debatten am Fuße der Basilika von Vierzehnheiligen war die seit Monaten angespannte Situation im Erzbistum Köln. Der nach einer Auszeit zurückgekehrte Kardinal Rainer Maria Woelki hatte erstmals Gelegenheit, den anderen Bischöfe zu schildern, wie er seine Lage und die seines Erzbistums sieht. Und seine Amtskollegen berichteten im Gegenzug, wie sehr sie in ihren Bistümern unter den Fernwirkungen der „Kölner Wirren“ leiden.
Auch hier endete die Versammlung auf einer Kompromisslinie: Bischof Bätzing betonte in seinem Abschlussbericht, dass auch Kardinal Woelki und das Erzbistum Köln „eine zweite Chance“ verdient hätten. Viel hänge dabei aber vom Verhalten des Kardinals ab. Und am Ende müsse Rom entscheiden, wie es in Köln, das längst zu einem Symbolbegriff für die deutsche Kirchenkrise geworden ist, weitergeht.