Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat sich für einen Prozess gegen Russlands Präsidenten Wladimir Putin und Außenminister Sergej Lawrow vor dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag ausgesprochen.
Hamburg – Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat sich für einen Prozess gegen Russlands Präsidenten Wladimir Putin und Außenminister Sergej Lawrow vor dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag ausgesprochen. „Alle, die für diese Verbrechen Verantwortung tragen, werden sich rechtfertigen müssen“, sagte Steinmeier dem „Spiegel“ (Samstag). „Dazu gehören Soldaten. Dazu gehören militärische Befehlshaber. Und selbstverständlich auch diejenigen, die politische Verantwortung tragen.“
Die Bilder aus der ukrainischen Stadt Butscha seien furchtbar, er könne sie „kaum ertragen“, sagte der Bundespräsident. „Sie verdichten noch einmal, was der verbrecherische Überfall Russlands auf die Ukraine bedeutet, was er an Leid und Tod bringt, auch an Vertreibung. Das macht ungeheuer wütend und traurig.“
Die Bundesregierung hatte die Gräueltaten von Butscha am Mittwoch als Kriegsverbrechen bezeichnet. Die Europäische Union kündigte an, die Urheber der Massaker zur Rechenschaft zu ziehen.
Nach Einschätzung des Juristen Wolfgang Schomburg wird sich Putin „eines Tages“ in Den Haag verantworten müssen. „Aber sicher nicht in einigen Wochen oder Monaten“, sagte Schomburg, der von 2001 bis 2008 der erste deutsche Richter am dortigen Kriegsverbrechertribunal war, dem „Spiegel“. Derzeit sei es noch schwierig, ein Verfahren gegen Putin anzustrengen.
Zwar gebe es „klare Anhaltspunkte für Kriegsverbrechen“ in Butscha und Mariupol, sagte Schomburg. Man müsse jedoch auch die Täterseite konkret kennen: „Man muss zum Beispiel nachweisen, welche Panzer, welche Schützen und Kommandeure es waren, die auf einen Zivilisten geschossen haben. Dann folgt, wenn sich diese auf Befehle berufen, der Nächste in der Hierarchie und so fort; man baut gewissermaßen eine Beweispyramide auf, bis man irgendwann auch bei Herrn Putin ankommt.“ Dies habe etwa bei den Tribunalen zu Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien funktioniert.
Der Vorwurf des Völkermords sei indes schwer zu belegen, erklärte Schomburg. Zuvor hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyi die Massaker in Butscha als Genozid bezeichnet. Dabei müsse man nachweisen, dass die Absicht bestehe, „praktisch das ukrainische Volk ganz oder teilweise vernichten zu wollen“. Straftatbestände wie Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit kommen dagegen aus Sicht des Experten in Frage: „Dazu zählen Mord, Vergewaltigung, aber auch die Vernichtung von Teilen der Bevölkerung, wenn dies im Kontext eines ausgedehnten oder systematischen Angriffs gegen die Zivilbevölkerung geschieht. Dafür gibt es eine Vielzahl von Belegen.“
Auch der österreichische Menschenrechtsanwalt Manfred Nowak betonte mit Blick auf die juristische Definition, die Anforderungen an Völkermord seien „sehr, sehr hoch“. Man müsse mit dem Begriff sehr vorsichtig umgehen, sagte der ehemalige UN-Sonderberichterstatter für Folter im Bayerischen Rundfunk (BR).
Auch Nowak sprach sich für eine Aufklärung durch den IStGH aus. Nur forensische Experten könnten genau feststellen, wie jemand zu Tode gekommen sei, sagte er. „Und wenn das auch klar ist, dass das alles Zivilisten sind, dann ist das völlig klar, dass es sich um ein Kriegsverbrechen handelt.“