Putin erhebt Besitzansprüche in Jerusalem

Russlands Präsident bemüht sich seit Jahren um eine Rückgabe verschiedener Kirchengüter Jerusalems an Moskau. Nun hat Putin die Diskussionen über das heikle Thema mit einem Brief neu entfacht.
Russlands Präsident bemüht sich seit Jahren um eine Rückgabe verschiedener Kirchengüter Jerusalems an Moskau. Nun hat Putin die Diskussionen über das heikle Thema mit einem Brief neu entfacht.

Wladimir Putin –Foto: © Malivoja | Dreamstime.com

Inmitten der orthodoxen Heiligen Woche hat ein Brief Wladimir Putins für Schlagzeilen im Heiligen Land gesorgt. Der russische Präsident fordert darin die Umsetzung eines zwei Jahre alten Abkommens: die Übergabe der Alexander-Newski-Kirche in der Jerusalemer Altstadt an Moskau. Wieder einmal sorgt die Frage, wem was gehört in Jerusalem, für politischen Wirbel.

Kirche aus der Kreuzfahrerzeit

Im Januar 2020 sorgte ein anderer Kirchenbesitz für Diskussionen: Der französische Präsident Emmanuel Macron verwies bei seinem Besuch der Annakirche in der Altstadt israelische Polizisten des Geländes. „Das ist hier Frankreich und jeder kennt die Regeln“, mahnte ein verärgerter Macron die Beamten. Die Kirche aus der Kreuzfahrerzeit ist eine von vier Stätten im Heiligen Land, über denen die französische Fahne weht. Sie gilt, wie die Paternosterkirche auf dem Ölberg, die sogenannten Königsgräber und die Kreuzfahrerkirche in Abu Gosch, als französisches Territorium.

Auch der Heilige Stuhl hat seinen Fuß auf Jerusalemer Boden. Mit einem diplomatischen Coup erwarb er nach dem Sechstagekrieg von 1967 das als französisches Pilgerzentrum erbaute Notre-Dame-Center – und beendete dort ein kurzes Intermezzo jüdisch-israelischer Inhaberschaft. De facto hat der Vatikan bei vielen Liegenschaften ein Wort mitzureden. Jeder Verkauf von Land in katholisch-kirchlichem Besitz benötigt vorab die Genehmigung des Heiligen Stuhls, so die Nuntiatur.

Liegenschaften haben auch Staatskirchen wie die Anglikaner. Andere kirchliche Einrichtungen gehören nichtstaatlichen Organisationen. Das Österreichische Hospiz etwa gehört einer gleichnamigen Stiftung unter der Obhut des Wiener Erzbischofs, während der Deutsche Verein vom Heiligen Land Hausherr der Dormitio-Abtei auf dem Zionsberg ist. In beiden Fällen gibt es keine staatliche Beteiligung – wohl aber finanzielle Unterstützung.

Christlichen Großmächte markierten ihre Präsenz

Wie die Immobilien in den Besitz der heutigen Eigentümer gelangten, unterscheidet sich von Fall zu Fall – und meist hatte der Staat Israel damit noch nichts zu tun. Die französische Annakirche war ein Geschenk des Sultans, die Dormitio und andere „deutsche“ Einrichtungen erwarb Kaiser Wilhelm und verschenkte sie weiter. Im 19. Jahrhundert markierten die christlichen Großmächte ihre Präsenz, errichteten Konsulate und religiöse Institutionen und sicherten sich symbolträchtige Stücke vom Kuchen des krankenden osmanischen Reichs.

Der Patient sollte bald das Zeitliche segnen. Eine kurze Lebensdauer war den Briten als Mandatsmacht gegönnt. Die Gründung Israels 1948 und der Sechstagekrieg mit der israelischen Annektierung Ostjerusalems und der Altstadt verkomplizierten die Lage. International gilt der Status Jerusalems als völkerrechtlich ungeklärt.

Unklar ist auch das Stichwort für Putins Forderungen. Sie reichen zurück ins 19. Jahrhundert, als nach Einschätzung der Religionswissenschaftlerin Elena Astafieva das Orientproblem zu einem der Hauptprobleme der Weltpolitik und auch Russlands wurde. Expansionistische und missionarische Anliegen und das Interesse der Öffentlichkeit an Nahostreisen sieht sie als Hauptmotive.

Unter Alexander II. erwarb Russland größere Ländereien

In diese Zeit fällt die Gründung der ersten russischen Einrichtung im osmanischen Palästina, der russischen kirchlichen Mission in Jerusalem 1847, gefolgt von der Orthodox Palestine Society 1882. Unter Alexander II. erwarb Russland größere Ländereien in Jerusalem und begann umfassende Bautätigkeiten. Neun Liegenschaften in Jerusalem führte die UN-Schlichtungskommission für Palästina in einem Arbeitspapier von 1949 als der Orthodox Palestine Society gehörend auf, darunter den Sergejhof, den Alexanderhof sowie Land und Stätten in Gethsemane und am Hang des Ölbergs.

Die Oktoberrevolution von 1917 führte zur Kirchenspaltung und zur Gründung der antikommunistischen russisch-orthodoxen Auslandskirche. Diese zarentreue „Weiße Kirche“ behielt dank britischer Anerkennung die Kontrolle über die kirchlichen Einrichtungen in Palästina. Bis zur Gründung Israels: Am 17. Mai 1948, erkannte die Sowjetunion Israel als erster Staat an.

Das Moskauer Patriarchat, die „Rote Kirche“ der kommunistischen Regierungen, erhielt im Gegenzug alle russischen Kirchengüter auf Israels Territorium. Ostjerusalem mit der Altstadt blieben „weiß“. Das Blatt wendete sich erneut mit der israelischen Annexion Ostjerusalems, durch die beide Kirchen an Israel fielen, das später von beiden Seiten Teile des russischen Eigentums erwarb.

Putin bemüht sich seit Jahren um Rückgabe diverser Kirchengüter

Schon seit Jahren bemüht sich auch Putin um die Rückgabe diverser Kirchengüter an Moskau. Mit Erfolg: 2008 genehmigte Israel die 2005 von Ministerpräsident Ariel Scharon versprochene Rückgabe des Sergejhofes. Seither hat Putin seine Bemühungen auf zwei Altstadtliegenschaften konzentriert: Die Alexander-Newski-Kirche und den Elisabeth-Hof.

Für Moskau symbolisiert die Rückgabe der Gebäude nach Einschätzung von Beobachtern die Wiederherstellung der Größe Russlands, und für die russisch-orthodoxe Kirche ist es eine Prestigefrage, in der Heiligen Stadt neben der als Immobilienbesitzer dominanten griechisch-orthodoxen Kirche Flagge zu zeigen. Israel hingegen ist besorgt über den Präzedenzfall, den solche Ansprüche auf andere kirchliche Liegenschaften in der Stadt bedeuten könnten.

Von Andrea Krogmann (KNA)