Die Erinnerung der Menschen in Deutschland an den Zweiten Weltkrieg bezieht sich laut einer Studie überwiegend auf Ereignisse und Orte in Westeuropa.
Bielefeld – Die Erinnerung der Menschen in Deutschland an den Zweiten Weltkrieg bezieht sich laut einer Studie überwiegend auf Ereignisse und Orte in Westeuropa. Die osteuropäische Dimension der nationalsozialistischen Verbrechen sei in der Bundesrepublik kaum bekannt, heißt es in der am Mittwoch vorgestellten Untersuchung. Sie wurde vom Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) der Universität Bielefeld und der Stiftung EVZ (Erinnerung, Verantwortung und Zukunft) erarbeitet.
Demnach gaben 58,5 Prozent der 1.000 repräsentativ Befragten an, noch nie bewusst einen Ort der Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg und an seine Opfer außerhalb Deutschlands besucht zu haben. Die meisten derjenigen, die einen Erinnerungsort außerhalb der Landesgrenzen aufgesucht haben, nannten Frankreich und dort die Kriegsschauplätze in der Normandie.
„Das Bewusstsein für die massive Gewalt während der deutschen Besatzung im Osten ist gering“, sagte die Vorstandsvorsitzende der Stiftung EVZ, Andrea Despot. Dies müsse Verantwortliche der Erinnerungskultur herausfordern, insbesondere auch mit Blick auf eine Instrumentalisierung von Geschichte im Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine. IKG-Leiter Andreas Zick kritisierte, dass in der ritualisierten deutschen Erinnerungskultur „selektiv Geschichten nicht erzählt werden und unterrepräsentiert sind“.
Zwei Drittel (69,9 Prozent) der Teilnehmenden konnten darüber hinaus keinen Ort nennen, der den in der NS-Zeit ermordeten Sinti und Roma gewidmet ist. Nur jeder dritte Befragte (33,2 Prozent) ist der Meinung, dass NS-Verfolgte in der deutschen Erinnerungskultur ausreichend repräsentiert seien. Besonders jüngeren Befragten fehle die Perspektive der ehemals Verfolgten, hieß es.