Kirche kann auch cool

Lockere Kleidung, genügend trinken, Sport in den Abend verschieben. Das sind Tipps, um der Hitzewelle zu begegnen. Man kann aber auch mal in eine coole Kirche eintreten.

Von Christoph Arens

Kirche kann auch cool

Der Innenraum der Pfarrkirche St. Peter und Paul in Hattingen. –Symbolfoto: Pfarrei St. Peter und Paul

Dass Kirche cool sein kann – für viele Bundesbürger ist das – angesichts von Missbrauchskrise und Austrittsrekorden – eine befremdliche Vorstellung. Doch angesichts der möglichen Hitze-Rekorde in Deutschland könnte auch mancher Kirchenkritiker die Erfahrung machen, dass Gotteshäuser ziemlich erfrischend sein können. Wissenschaftler, Ärzte und auch Kirchenmitarbeiter ermuntern deshalb zum kurzfristigen Kirchen-Eintritt.

Mit ihrem Projekt „Kirche erfrischt“ machte etwa die Erzdiözese Wien bereits im vergangenen Jahr auf die kühlen Orte aufmerksam. „Die Grundregel ist, dass es in allen alten Bauten, die älter sind als das Jahr 1750, normalerweise kühl ist“, sagte Nikolaus Haselsteiner, Projektverantwortlicher für „Offene Kirchen“ im Pastoralamt in Wien, der katholischen Nachrichten-Agentur Kathpress.

Katakomben im Stephansdom bei 16 Grad

Im viel besuchten Stephansdom mit seinen Richtung Süden zeigenden Kirchenfenstern herrsche momentan allerdings bereits eine Temperatur von 27 Grad, berichtete Dompfarrer Toni Faber vergangene Woche. Sein Geheimtipp: der Besuch in den Katakomben mit ihren kühlen 16 Grad.

Dass Kirchen an heißen Sommertagen ein Segen sein können, hatte 2019 auch der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki betont. Dazu zitierte er einen Text aus dem 13. Jahrhundert: „Komm herab Oh Heiliger Geist – in Unrast schenkst du Ruh, hauchst in Hitze Kühlung zu!“

Auf die klimatischen Besonderheiten der Gotteshäuser wies auch die ehemalige Kölner Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner hin: „Der Dom hat einen enormen Luftraum, so dass sich die Kirche, wenn überhaupt, nur langsam aufheizt“, erläutert sie. In der Kathedrale werde es auch nach wochenlanger Hitze allenfalls warm, aber nie heiß.

Experten sind sich unterdessen einig, dass Deutschland dringend langfristige Strategien und kurzfristige Maßnahmen gegen Hitzewellen braucht. Von 2018 bis 2020 sind nach einer im Deutschen Ärzteblatt veröffentlichten Studie in der Bundesrepublik rund 19.300 Menschen an den Folgen von Hitze gestorben. Heiße Phasen, die in vorindustrieller Zeit alle 50 Jahre auftraten, kommen nun im Schnitt etwa alle zehn Jahre vor.

Besonders große Städte werden zu Hitzeinseln: Mit Beton und Asphalt versiegelte Böden absorbieren Sonneneinstrahlung. Außerdem verdunstet durch die geringere Vegetation weniger Wasser; der Kühleffekt ist geringer. Auch Gebäude, die die Oberfläche der Stadt vergrößern, speichern Wärme und erschweren Luftaustausch.

Kirche als „Cooling Center“

Langfristig empfehlen Experten wie der Karlsruher Klimaforscher Stefan Emeis eine ausreichende Begrünung: schattenspendende Bäume, Fassaden- und Dachbegrünungen und kleinere Parks in Wohngebieten. Außerdem könnten Wasserflächen, Frischluftschneisen und eine Aufhebung von Flächenversiegelung dämpfend wirken.

Eine nationale Strategie gegen die Rekordhitze gibt es bislang nicht. Einige Kommunen und Bundesländer haben aber Pläne zur kurzfristigen Reaktion auf Hitze entwickelt. So erstellt die Stadt Nürnberg etwa eine Karte der kühlen Orte. „Es ist wichtig, sich bei extremer Hitze ein, zwei Stunden in einem kühlen Raum aufhalten zu können. Das hilft dem Körper“, sagte Umweltmedizinerin Renate Scheunemann dem Bayerischen Rundfunk.

Dabei stehen die großen Kirchengebäude ganz oben. „Hier kann man gut zur Ruhe kommen. Unsere Kirchen sind groß, kühl und stehen für alle offen“, sagt Joachim Baumgardt, Sprecher des evangelischen Dekanats Nürnberg, dem Sender. „Wer sich abkühlen möchte, ist willkommen“, ergänzt Elke Pilkenroth, Sprecherin der katholischen Stadtkirche. Allerdings sollte die Würde des Orts respektiert und zum Beispiel kein Eis gegessen werden.

Die Fuldaer Professorin für Gesundheitstechnologie, Dea Niebuhr, verweist auf Erfahrungen aus Ländern wie Frankreich, Italien, Spanien und Portugal. Sie hätten bereits kurz nach dem „Jahrhundertsommer“ 2003 nationale Hitzeaktionspläne eingeführt. „Öffentliche Schwimmbäder mit ausreichend schattierten Zonen sind länger geöffnet“, sagt sie. „Klimatisierte Einkaufszentren, Gemeindehäuser und Kirchen werden als Cooling Centers – auch über Nacht – geöffnet oder es sind öffentlich zugänglich klimatisierte Räume mit Sitz- und Liegemöglichkeiten eingerichtet.“