Die Zahl der Kirchenaustritte in Nordrhein-Westfalen steuert auch in diesem Jahr auf einen Höchstwert zu.
Düsseldorf – Die Zahl der Kirchenaustritte in Nordrhein-Westfalen steuert auch in diesem Jahr auf einen Höchstwert zu. Nach den ersten sechs Monaten kehrten 111.235 Menschen im bevölkerungsreichsten Bundesland den Kirchen den Rücken, wie das NRW-Justizministerium bekanntgab. Im gesamten Jahr 2021 waren es 155.322 gewesen – so viele wie nie zuvor. Zehn Jahre früher gab es in NRW nur gut ein Drittel so viele Austritte, nämlich 57.358. Die Aufstellung unterscheidet nicht zwischen katholischer und evangelischer Kirchenzugehörigkeit.
Mit Veröffentlichung der Zahlen antwortete das Justizministerium auf eine Kleine Anfrage der FDP-Landtagsabgeordneten Dirk Wedel und Angela Freimuth. Demnach wenden sich schätzungsweise mehr als 90 Prozent der Austrittswilligen mit ihrem Anliegen an die Amtsgerichte. Die zweite Möglichkeit für ein Ende der Kirchenmitgliedschaft in NRW – den Gang zum Notar – wähle nur ein sehr geringer Teil.
In den kleineren der 129 Amtsgerichtsbezirken müssen Austrittswillige laut Justizministerium nur wenige Tage oder Wochen auf einen Termin warten. An den größeren Gerichten gebe es Wartezeiten bis zu drei Monate und vereinzelt mehr.
Wegen der hohen Nachfrage hatte unter anderem das Amtsgericht Köln mehrfach die Termine für Kirchenaustritte aufgestockt. Vor allem im Erzbistum Köln, das von dem in die Vertrauenskrise geratenen Kardinal Rainer Maria Woelki geleitet wird, waren im vergangenen Jahr die Austrittszahlen stark gestiegen. Sie lag bei 40.772 Katholikinnen und Katholiken und damit um rund zwei Drittel höher als im Vor-Corona-Jahr 2019.
In NRW müssen Kirchenmitglieder persönlich vor dem Amtsgericht oder beglaubigt durch einen Notar ihren Austritt erklären. Die NRW-Landesregierung lehnte im Juli die Möglichkeit ab, den Schritt online zu erledigen. Als zuständiges Bundesland hatte NRW die Digitalisierung von Verwaltungsakten im Bereich „Engagement und Hobby“ geprüft. Nach der Absage setzten auch die anderen Bundesländer den digitalen Kirchenaustritt vorerst nicht um.