Der neue Missbrauchsbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz, der Aachener Bischof Helmut Dieser, begrüßt das Schuldbekenntnis des Freiburger Alterzbischofs und früheren Bischofskonferenz-Vorsitzenden Robert Zollitsch, Betroffene zeigen sich skeptisch.
Bonn/Freiburg – Der neue Missbrauchsbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz, der Aachener Bischof Helmut Dieser, begrüßt das Schuldbekenntnis des Freiburger Alterzbischofs und früheren Bischofskonferenz-Vorsitzenden Robert Zollitsch zu Fehlern im Umgang mit Betroffenen von sexualisierter Gewalt. Dieser appellierte auch an „andere emeritierte Verantwortungsträger“ der Kirche, ebenso deutlich wie Zollitsch Verantwortung zu benennen. Dies sei eine berechtigte Erwartung von Betroffenen, sagte Dieser am Donnerstag in Bonn.
Zollitsch räumte am Donnerstag nach langem Schweigen große Fehler und persönliche Schuld ein. In einem neunminütigen Video bittet er die Betroffenen und ihre Familien um Verzeihung „für das zusätzliche Leid, das Ihnen mein Verhalten bereitet hat“. Er wisse, dass er nicht erwarten könne, dass sie seine Entschuldigung annähmen.
Zollitsch wörtlich: „Ich habe das große Ausmaß und vor allem die Folgen für die Betroffenen der Verbrechen sexualisierter Gewalt und des Missbrauchs nicht erfasst und der Wahrheit nicht in die Augen geschaut.“ Nach bisherigen Untersuchungen gab es seit den 1950er Jahren bis in die Gegenwart im Erzbistum Freiburg mindestens 190 beschuldigte Priester und Diakone und 440 Betroffene.
Betroffene skeptisch bei Missbrauchs-Erklärung Zollitschs
Der Betroffenenbeirat im Erzbistum Freiburg erklärte unterdessen, es müsse sich jetzt zeigen, ob Zollitsch die ausgedrückte Reue ernst meine. Sein Schuldeingeständnis komme überraschend. Jetzt müsse er sich dafür engagieren, dass die Aufarbeitung schneller vorankomme. Bislang habe Zollitsch jedoch nichts Konkretes unternommen, um das Leid der Betroffenen zu schmälern, kritisierte der Beirat. Denkbar wäre etwa die Gründung einer Stiftung für Betroffene. Und Zollitsch sollte im direkten Gespräch mit Betroffenen jene Fragen beantworten, „die seit Jahrzehnten nicht beantwortet wurden“.
Die bundesweite Betroffenen-Organisation Eckiger Tisch bezeichnete das Video Zollitschs als bemerkenswert. Die klare persönliche Übernahme von Verantwortung sei bei kirchlichen Amtsträgern selten, so Eckiger-Tisch-Sprecher Matthias Katsch. Auch er forderte, der Erklärung müssten Taten folgen. Das Erzbistum Freiburg begrüßte ebenfalls die Erklärung. Es sei gut, dass sich Zollitsch mit seiner Verantwortung auseinandersetze, so Generalvikar Christoph Neubrand.
Zollitsch betonte in dem Video, er habe es versäumt, Missbrauchsfälle offenzulegen und stattdessen Vorwürfe „intern“ behandelt. Er habe naiv Täteraussagen geglaubt und fälschlicherweise zu sehr das Wohl der Kirche im Blick gehabt. Zugleich argumentierte Zollitsch, er sei als Verantwortlicher in ein System von Verschwiegenheit, Korpsgeist und Selbstschutz eingebunden gewesen. Er übernehme die persönliche und moralische Verantwortung – verwies aber darauf, immer im Austausch mit anderen Leitungsverantwortlichen gestanden zu haben.
Das Erzbistum Freiburg arbeitet seit mehreren Jahren an einer Studie, die Missbrauch und dessen Vertuschung dokumentiert und aufarbeitet. Ähnliche Untersuchungen gibt es in vielen deutschen Bistümern. Zuletzt war die in Freiburg für Oktober geplante Veröffentlichung auf April verschoben worden. Dem Vernehmen nach wollen sich die Autoren gegen mögliche Klagen absichern. Die Studie umfasst auch die Jahre, in denen Zollitsch in verschiedenen Funktionen Verantwortung trug. Erzbischof Stephan Burger hat eine Veröffentlichung zugesagt. Erarbeitet wurde sie durch vom Erzbistum unabhängige Experten. Zollitsch betonte nun, sich an der Aufarbeitung zu beteiligen.
Bis zuletzt war unklar, wie sich Zollitsch zu der Untersuchung verhält. Seit 2010 wurden ihm öffentlich Fehlverhalten bei mehreren Missbrauchskomplexen vorgeworfen, etwa im Fall Oberharmersbach, wo ein Priester über Jahre viele Jugendliche missbraucht hatte. Zollitsch hatte Fehler zugegeben, ein breites Schuldeingeständnis aber vermieden. Zollitsch leitete das Erzbistum von 2003 bis 2014. Zuvor war er 20 Jahre Personalchef des Bistums und in dieser Position vielfach mit Menschen befasst, denen Missbrauch zur Last gelegt wurde. Von 2008 bis 2014 war Zollitsch zudem Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz. Ab 2010 begann die katholische Kirche in Deutschland mit der Aufarbeitung von Missbrauch und sexualisierter Gewalt durch Priester und Kirchenmitarbeitende.