Herta Müller sieht Muster in Diktaturen

Nobelpreisträgerin Herta Müller sieht in Diktaturen wie Russland und China ein Muster.

 

Nobelpreisträgerin Herta Müller sieht in Diktaturen wie Russland und China ein Muster. „Es sind immer die gleichen Mechanismen, und es hört nicht auf“, sagte die Autorin am Dienstagabend in Marbach. Wer in einer Diktatur lebe, glaube, dass man ihr nicht gewachsen sei; hinzu kämen Gerüchte über Krankheiten des Herrschers – wie etwa bei Wladimir Putin. Aber man wisse nicht, was stimme. Müller äußerte sich zum Auftakt der Tagung „Archivasyl“ von Dienstag bis Donnerstag im Deutschen Literaturarchiv (DLA). Die Veranstaltung diskutiert Möglichkeiten des Sammelns von Beständen politisch verfolgter Autoren.

Für Müller ist die Wiederkehr einer Diktatur „wahrscheinlich schlimmer als die erste“, weil man gehofft habe, dass es besser werde. Personenkult bezeichnete sie als eine „finstere Art der Diktatur“. Müller schilderte, dass Schriftsteller in unfreien Gesellschaften spezielle Strategien des Umgangs bräuchten. So versteckte sie während der Ceausescu-Diktatur Texte bei Freunden, die nur rumänisch konnten; dort seien sie sicher gewesen.

Der chinesische Dissident Liao Yiwu berichtete, er habe mit Freunden abgesprochen, Telefonate mit einigen Sekunden des Schweigens zu beginnen, um sich so der Identität des Gesprächspartners zu vergewissern. Hausdurchsuchungen verglich er mit dem „Tod für einen Schriftsteller“. Seine Konsequenz habe geheißen, trotzdem weiter zu schreiben: „Sonst bin ich wie Scheiße auf der Straße, nach der jeder treten kann.“

Müller (69) stammt aus dem rumänischen Banat. Als Angehörige der deutschsprachigen Minderheit wurde die Autorin von der Geheimpolizei Securitate schikaniert. Seit 1987 lebt sie in Deutschland. In ihren Werken verarbeitet sie ihre Erfahrungen mit der kommunistischen Herrschaft. 2009 erhielt sie den Nobelpreis. Neben Ex-Bundespräsident Joachim Gauck ist sie Schirmherrin des Exilmuseums Berlin, das 2026 öffnen will.

Yiwu (64) gilt als einer der bekanntesten Autoren Chinas und als einer der größten Kritiker des Pekinger Regimes. Seine Bücher sind dort verboten. 2011 gelang ihm über Vietnam die Flucht nach Deutschland. Im gleichen Jahr wurde er mit dem Geschwister-Scholl-Preis geehrt, 2012 mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Anfang 2022 erschien sein Buch „Wuhan. Ein Dokumentarroman“ über den Beginn der Corona-Pandemie.