Vier Monate nach dem Zwischenbericht über sexuellen Missbrauch im Bistum Osnabrück haben sich bisher zwei Dutzend Personen bei den Forschern gemeldet.
Osnabrück – Vier Monate nach dem Zwischenbericht über sexuellen Missbrauch im Bistum Osnabrück haben sich bisher zwei Dutzend Personen bei den Forschern gemeldet. Diese seien selbst von Übergriffen betroffen oder hätten in ihrem Umfeld solche mitbekommen, sagte der Koordinator des Forschungsprojekts, Jürgen Schmiesing, in einem am Montag veröffentlichten Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).
Einige hätten Wert darauf gelegt, dass ihr Umfeld oder auch ihre Familie nichts davon erfahre, so Schmiesing. „Es kostet Überwindung, sich zu melden; in einem kleinen Ort etwa ist das besonders schwierig.“ Die Rückmeldungen stammten aus fast allen Regionen des früheren großen Bistums Osnabrück, zu dem bis 1995 auch das heutige Erzbistum Hamburg gehörte.
Aus verschiedenen Gründen könne das Forschungsteam aus Juristen und Historikern nur sehr begrenzt auf Menschen zugehen, sagte Schmiesing. „Wir sind dankbar für jede Meldung. Wir werben um Vertrauen, streuen Infos zum Angebot.“ Man könne und wolle niemanden zwingen, sich zu melden.
Laut dem Wissenschaftler haben sich aus den bisherigen Gesprächen teils neue Fragen für die weitere Forschung ergeben. Dabei wird vor allem das Umfeld von Übergriffen sexualisierter Gewalt im kirchlichen Kontext untersucht, auch die Rolle möglicher Zeugen oder sogenannter Bystander in Gemeinden oder kirchlichen Einrichtungen.
In einem ersten Teil des Forschungsprojekts hatte das Team um den Juristen Hans Schulte-Nölke und die Historikerin Siegrid Westphal Rolle und Verhalten von Bistumsverantwortlichen untersucht. Dies geschah exemplarisch anhand der Fälle von 16 Beschuldigten, wie sich diese in diözesanen Akten und in Gesprächen mit noch lebenden Verantwortlichen darstellten.
In dem Mitte September vorgelegten Zwischenbericht heißt es, die Diözesanleitung habe Befinden, Situation und Rechte Betroffener vielfach zu spät, zu wenig oder gar nicht im Blick gehabt. Zudem seien vorgesehene Verfahrenswege oft nicht eingehalten worden. Osnabrücks Bischof Franz-Josef Bode hatte Fehlverhalten und Defizite eingeräumt. Einen Rücktritt lehnte er aber ab. Stattdessen wolle er die weitere Aufarbeitung, die in der Studie auch gewürdigt werde, konsequent weiterführen.
Laut Schmiesing wird die Gesamtstudie voraussichtlich im August 2024 erscheinen. Ein vorherige Veröffentlichung von Teilergebnissen schloss er nicht aus. Auftraggeber der Studie ist die Diözese, die sie auch bezahlt. Allerdings wurde vertraglich mit der Universität völlige Forschungsfreiheit vereinbart.