Offenbar haben mehr als 40 katholische Priester während der NS-Zeit als Spitzel für die Gestapo gearbeitet.
Aachen – Offenbar haben mehr als 40 katholische Priester während der NS-Zeit als Spitzel für die Gestapo gearbeitet. Diese Einschätzung treffen die Historiker Helmut Rönz und Keywan Klaus Münster vom Landschaftsverband Rheinland (LVR) in dem Buch „Das Bistum Aachen im Nationalsozialismus“, das am Freitag vorgestellt wurde.
In der Gemeinschaftspublikation mit dem Aachener Diözesanarchiv beschreiben sie unter anderem den Werdegang von Kaplan Heinrich Prinz. Ab Mai 1940 war er laut Recherchen der Historiker unter dem Decknamen „Cornelius“ als V-Mann für die Gestapo tätig. Für seine Dienste erhielt der Priester 50 Reichsmark pro Monat.
Nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitete Prinz als Pfarrer in Eschweiler und Heinsberg und starb 1978. „Die Kirche vor Ort wusste nichts von Prinz‘ Vergangenheit“, schreibt Rönz im Vorwort. „Nach unserer Schätzung haben mindestens 40 Priester des Bistums Aachen im Dienst der Gestapo gestanden und kirchliche Institutionen und Personen bespitzelt.“
In ihrem Buch geht es den Historikern laut eigener Angaben um die „Grautöne der Geschichte“. So beschreiben sie auch das Leben des Sievernicher Pfarrers Alexander Heinrich Alef, der seinen Schülern im Religionsunterricht den Hitlergruß verbot und die Kinder seiner Gemeinde aufforderte, den Gottesdienst und nicht die Hitlerjugend zu besuchen. 1944 nahm ihn die Gestapo fest, nachdem sein Unterschlupf im Kloster Niederau verraten worden war – durch Kaplan Prinz. Alef starb 1945 im KZ Dachau.
Auch den Aachener Bischöfen Joseph Vogt und Johannes Joseph van der Velden sind Kapitel gewidmet. Vor allem Vogt, der das Bistum Aachen ab 1931 neu aufbaute, habe sich häufig passiv verhalten, so die Wissenschaftler. Später äußerte er aber auch Unmut über das Regime. Van der Velden geriet schon vor seiner Berufung zum Bischof in Konflikt mit den Nazis. Als er den Volksverein für das katholische Deutschland leitete, veröffentlichte die Organisation ein Flugblatt mit dem Ausruf „Nur wer den Verstand verloren hat, kann als Katholik Nationalsozialist sein“.
Diözesanarchiv und LVR stellen in dem Buch insgesamt 19 Personen – darunter auch Nicht-Geistliche – sowie 11 Ereignisse in Deutschlands westlicher Diözese während der NS-Zeit vor. Aus der Recherchearbeit der Historiker war zunächst eine Ausstellung entstanden.
- Helmut Rönz, Keywan Klaus Münster, „Das Bistum Aachen im Nationalsozialismus – Eine Spurensuche in Biographien und Ereignissen“, Veröffentlichungen des Bischöflichen Diözesanarchivs Aachen, Band 52, Einhard-Verlag Aachen, 208 Seiten, 29,80 Euro, ISBN 978-3-943748-71-0.