Ein sechstägiger Beratungsmarathon von Kirchenvertretern aus 40 Ländern Europas in fünf Sprachen ist am Samstag in Prag zu Ende gegangen. Die Erfahrung scheint einige Teilnehmer verändert zu haben.
Prag – Eine Woche lang haben in Prag Bischöfe, Priester und Laienvertreter aus allen Teilen Europas über die Krise der katholischen Kirche und mögliche Antworten beraten. Unter den knapp 200 Anwesenden waren rund 50 Bischöfe, zudem Priester und Ordensleute, aber auch zahlreiche Laien. Diese Männer und Frauen kamen aus Bewegungen und Organisationen, die in ihrer Vielfalt einen Teil der unterschiedlichen Strömungen des Katholizismus in Europa bei diesem Treffen abbildeten.
Die Gemeinschaft Sant’Egidio war ebenso dabei wie der deutsche Katholikendachverband ZdK mit seiner Präsidentin Irme Stetter-Karp, das Opus Dei ebenso wie Lebensschützer-Vereine, eine Handvoll Theologieprofessoren (zwei davon aus Deutschland), die verschiedenen Ausprägungen der „katholischen Aktion“ aus südlichen Ländern und viele mehr.
Religionsphilosoph Halik ordnet Kirchenkrise und Weltynode in ideengeschichtlichen Rahmen ein
Eine herausgehobene Rolle hatte der tschechische Religionsphilosoph Tomas Halik. Er setzte mit einem nachdenklichen Eröffnungsreferat Impulse, die im Laufe der Beratungen immer wieder aufgegriffen und zum Ausgangspunkt weitergehender Überlegungen gemacht wurden. Er ordnete die gegenwärtige Kirchenkrise in den ideengeschichtlichen Rahmen einer Glaubenskrise ein und weitete damit den Horizont der Debatte.
Dennoch wurden häufig auch einfache Krisendiagnosen und Antworten vorgetragen: „Progressive“ (in Prag klar in der Minderheit) traten für Änderungen der kirchlichen Lehre und Moral ein, um niemanden aus der Kirche auszuschließen oder hinauszudrängen. „Konservative“ warben für ein Festhalten an Dogmen und Verboten als einzig sinnvoller Reaktion der Kirche auf die Beliebigkeit der postmodernen Welt. Konsens gab es darüber, dass die Kirche – wie vom Papst gefordert – neue Wege der Beratung und einer Beteiligung des „Volkes Gottes“ an Entscheidungen finden müsse. Dafür war das Treffen in Prag eine erste Einübung.
Die 39 Bischofskonferenzen in Europa, die in einem „Rat“ unter der Abkürzung CCEE zusammengeschlossen sind, entsandten jeweils ihren Vorsitzenden sowie drei weitere Vertreter. Die 39 Vorsitzenden tagten am Ende zwei Tage lang unter sich, um das zu reflektieren, was in den ersten vier Tagen von Bischöfen, Priestern und Laien gesagt worden war.
Redaktionsprozess war intransparent
Während im ersten Teil die Plenarsitzungen im Livestream übertragen wurden, war der Abschluss nicht öffentlich. Zuvor hatten auch die Stuhlkreis-Sitzungen der Kleingruppen ohne Medienöffentlichkeit stattgefunden. Außerdem konnten sich Delegierte online beteiligen – allerdings gelang es kaum, die Versammlung in Prag und die online diskutierenden Teilnehmer zusammenzubringen.
Schnell zeigte sich, dass die Gruppendynamik der „Präsenzversammlung“ für Online-Teilnehmer uneinholbar war. Das galt für die Gespräche in den Kaffeepausen ebenso wie für die Erfahrung gemeinsamer Gottesdienste und Gebete, von denen viele in Latein gehalten wurden. In den Debatten waren Italienisch und Englisch die am meisten gesprochenen Sprachen – gefolgt von Deutsch.
Intransparent war der Redaktionsprozess, der nach den Beratungen der ersten vier Tage zu einem gemeinsamen Dokument führen sollte. Ein Expertenteam versuchte, die Kernpunkte der im Plenum vorgetragenen Ideen in einem Text zu bündeln. Dieser wurde am Donnerstagmorgen verlesen, dann konnten mündlich und schriftlich Änderungswünsche eingebracht werden. Am Ende der geschlossenen Bischofsberatungen wurde ein kurzer zweiter Text verabschiedet, der als „Botschaft an das Volk Gottes“ veröffentlicht werden sollte.
Bischöfe aus allen Teilen Europas zufrieden mit dem in Prag erlebten Prozess
Anders als zunächst angekündigt gab es keinen eigenen Text zum Thema Missbrauch. Es war der Belgrader Erzbischof Laszlo Nemet, der eingeräumt hatte, dass es sexuellen Missbrauch Minderjähriger durch Kleriker auch in Osteuropa gab. Doch wegen der Unterdrückung der Kirche im Kommunismus fehlt bis heute ein klares Bild darüber – unter anderem, weil die Geheimpolizei ihre Finger im Spiel hatte und viele Akten später vernichtet wurden. Nicht nur an diesem Punkt wurde in Prag deutlich, dass das Erbe der Diktaturen in Osteuropa bis heute nachwirkt.
In Pressestatements zeigten sich am Ende Bischöfe aus allen Teilen Europas zufrieden mit dem in Prag erlebten Prozess des gegenseitigen Zuhörens – auch wenn die unterschiedlichen Ansätze zur Überwindung der Kirchen- und der Glaubenskrise in Europa nicht in eine gemeinsame Handlungsstrategie mündeten. Bei der Versammlung der Weltsynode in Rom im Oktober dürften daher die Bischöfe aus Europa wie gehabt mit sehr unterschiedlichen Akzenten auftreten. Neu ist, dass viele von ihnen nach der Erfahrung von Prag eine „Einheit in Verschiedenheit“ eher für möglich halten.