Kinderbuchautor: Wünsche mir „echte Literatur“ für Kinder

Finn-Ole Heinrich (40), Schriftsteller und Filmemacher, wirbt in einem Gastbeitrag für den Spiegel für „echte Literatur“ für Kinder.

Finn-Ole Heinrich (40), Schriftsteller und Filmemacher, wirbt für „echte Literatur“ für Kinder. In einem Gastbeitrag für den Spiegel kritisierte er „pädagogische Gebrauchstexte a la Conny, Leo Lausemaus oder Bobo Siebenschläfer“: Sie beschädigten echte Kinder- und Jugendliteratur und zementierten ein Machtgefälle zwischen Kindern und Erwachsenen.

Literatur und Moral

Ihm gehe es nicht um Regellosigkeit oder grenzenlose Freiheit im Alltag, betont Heinrich. „Ich kann dem Kind nicht alle Entscheidungen überlassen. Man denke nur an den Straßenverkehr.“ Bisweilen verinnerlichten Kinder jedoch allzu stark eine Logik, nach der alles bewertet werde: „Alles ist richtig oder falsch, wird benotet und korrigiert. In der Schule werden Kinder glattgeschliffen.“

So erlebe er kaum Lesungen unter Kindern aufwärts der dritten Klasse, in denen er nicht nach der Moral seiner Geschichte gefragt werde. Dies sei alles andere als harmlos, so der Autor, weil es zeige, „dass die Schüler:innen darauf geeicht sind, eine Geschichte zu erfassen mit dem Ziel, eine Botschaft herauszupopeln und der Lehrperson vorzulegen, um ein Richtig oder Falsch, eine Note zu bekommen.“ Dabei sollte Literatur aus seiner Sicht „einen Bogen um jede Moral machen“.

Warnung vor Reproduktion von Diskriminierung

Er schätze, dass 80 Prozent der Bücher, die als Kinderliteratur gelten, „gar keine Literatur sind. Weil sie nicht frei und aufrichtig sind, weil sie nicht Fragen stellen und irritieren, sondern Antworten verteilen und die Geschichte als Vehikel für eine Moral missbrauchen.“ Viele dieser Bücher trauten den jungen Leserinnen und Lesern keine eigenen Gedanken zu und keinen Willen, eine Haltung zu entwickeln, „sondern kauen den Kindern vor, wie sie werden sollen“, so Heinrich.

Diese Kritik bezog er auch auf „Mutmacherbücher, Freundschaftsbücher, Diversitybücher“, die ebenfalls „von oben nach unten erzählen, die vom erwachsenen Kopf ausgehend im kindlichen Kopf etwas bewirken wollen“. Wenn Kinder indes lernten, „dass es mächtige und ohnmächtige Menschen gibt, und dass es okay ist, wenn die Mächtigen über die Ohnmächtigen bestimmen“, drohten sie diese Diskriminierung zu reproduzieren, warnte er.

kna