Um spirituellen Missbrauch zu verhindern, brauchen geistliche Begleiter nach Einschätzung einer Therapeutin mehr Anweisung und Überwachung.
Köln/Bonn – Um spirituellen Missbrauch zu verhindern, brauchen geistliche Begleiter nach Einschätzung einer Therapeutin und Betroffenen mehr Anweisung und Überwachung. Menschen, die eine solche Funktion innehätten, müsse die Kirche stärker im Blick haben, fordert Stephanie Butenkemper am Mittwoch in einer neuen Folge des Podcasts „Himmelklar“. Sie hat ein Buch über „Toxische Gemeinschaften“ geschrieben, das im April erscheint.
„Wir haben an sich eine machtvolle Position, weil Menschen zu uns kommen, sich uns anvertrauen und Rat suchen“, erklärt Butenkemper. Diese Form der Autorität dürfe nicht in Abhängigkeit münden. Vielmehr müssten Menschen dazu befähigt werden, ihren eigenen Weg zu finden. Vorgaben darüber, was richtig und falsch sei, gebe es in der Beratung idealerweise nicht. Das würde sie sich auch von der Kirche wünschen. Geistliche Begleiter müssten respektvoll und „mit großer Ehrfurcht vor der Freiheit“ der anderen Person agieren.
Geistlicher Missbrauch meint, dass Menschen im Namen Gottes und im Kontext religiösen Lebens manipuliert und ausgenutzt werden. Dieser schleichende Prozess folgt nach Ansicht der Expertin den immergleichen Strukturen. Zunächst werde Betroffenen das Gefühl vermittelt, Teil einer Familie sein zu dürfen. Das stärke das Selbstbewusstsein, gebe Halt und übe eine enorme Anziehungskraft aus. Diese Beziehung ändere sich jedoch, sobald ihr Verbleib in einer Gemeinschaft an Bedingungen geknüpft werde.
Nach und nach müssten Betroffene etwa ihren Freundeskreis, Kleidungsstil oder Hobbys aufgeben, sagt die Expertin. In religiösen Gemeinschaften werde dann oft mit dem Willen Gottes argumentiert. So sei es auch Butenkemper gegangen. Das habe sie „mundtot“ gemacht, dagegen hätte sie nichts mehr sagen können. Die beste Prävention sei es, Betroffenen zuzuhören. Denn nur sie könnten verstehen, „was da eigentlich passiert“.
Butenkemper ist Systemische Therapeutin sowie Ehe-, Familien- und Lebensberaterin. Sie ist in der Katholischen Beratungsstelle und an der Katholischen Hochschulgemeinde in Köln tätig. Außerdem ist sie Mitglied im Arbeitskreis „Spiritueller Missbrauch“ des Bistums Dresden-Meißen.