Papst erteilt zu Ostern vollkommenen Ablass: „Urbi et orbi“

Seit Luther gegen den Ablasshandel wetterte, ist der „Nachlass zeitlicher Sündenstrafen“ in Verruf geraten. Doch anders als viele meinen, gibt es ihn immer noch. Zu Ostern wird er sogar über TV und Internet verbreitet.
Papst erteilt zu Ostern vollkommenen Ablass: „Urbi et orbi“  Seit Luther gegen den Ablasshandel wetterte, ist der "Nachlass zeitlicher Sündenstrafen" in Verruf geraten. Doch anders als viele meinen, gibt es ihn immer noch. Zu Ostern wird er sogar über TV und Internet verbreitet.

Symbolfoto: Kai Pilger/Pixabay

Nicht nur Katholiken fragen sich besorgt, ob Papst Franziskus in diesem Jahr trotz angeschlagener Gesundheit die Osterfeierlichkeiten durchstehen wird. Auch in Rom wurde die Frage intensiv diskutiert. Dabei kommt auch ein Akt zur Sprache, an dem der Papst ganz besonders im Mittelpunkt steht: der feierliche Ostersegen „Urbi et orbi“ (Der Stadt Rom und dem Erdkreis), den der Papst regelmäßig nur Weihnachten und Ostern spendet.

Dies, so heißt es im Vatikan, sei der einzige liturgische Akt der Osterzeit, bei dem sich der Papst auf keinen Fall vertreten lassen wolle. Einer der Gründe dafür ist der „vollkommene Ablass“, den er bei dieser Gelegenheit allen zuspricht, die ihm auf dem Platz zuhören oder ihm auf andere Art verbunden sind. Bei kaum einer anderen Gelegenheit wird die „Schlüsselgewalt“ des Papstamtes so unterstrichen wie in diesem Moment.

Die Verkündigung dieses Ablasses ist besonders feierlich. Dem Papst wird als Zeichen seiner Vollmacht eine Stola um die Schultern gelegt. Dann macht ein ranghoher Kardinal eine förmliche kirchenrechtliche Ankündigung: „Der Heilige Vater gewährt allen, die seinen Segen empfangen, und sei es durch Radio, Fernsehen und andere Kommunikationsmittel oder auch nur durch den Wunsch um geistige Verbindung mit dieser Zeremonie, einen vollkommenen Ablass in der von der Kirche vorgeschriebenen Form.“

Danach spricht der Papst eine alte lateinische Formel. Sie beginnt mit den Worten: „Sancti Apostoli Petrus et Paulus, de quorum potestate et auctoritate confidimus, ipsi intercedant pro nobis ad Dominum“. Auf Deutsch: „Mögen die heiligen Apostel Petrus und Paulus, auf deren Macht und Autorität wir vertrauen, beim Herrn für uns Fürsprache halten“.

Schon der Beginn zeigt, dass hier der Papst als Petrus-Nachfolger spricht. Kein anderer kann diese Vollmacht beanspruchen. Mit der Petrus-Nachfolge ist nach katholischen Verständnis eine besondere „Schlüsselgewalt“ verbunden. Zwar können alle Apostelnachfolger (also alle Bischöfe und die von ihnen geweihten Priester) Menschen in der Beichte von ihren Sünden lossprechen. Aber nur dem Apostel Petrus sagte Jesus laut Matthäus-Evangelium zu: „Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreiches geben.“

Daraus leitete die katholische Kirche seit dem Hochmittelalter die Vollmacht des Papstes ab, den Menschen auch ihre zeitlichen Sündenstrafen nachzulassen. Diese Idee beruht auf der Annahme, dass es für Sünder nach dem Tod nicht bloß die Höchststrafe der ewigen Verdammnis in der Hölle geben kann, sondern auch zeitlich begrenzte Strafen – das sogenannte Fegefeuer.

Mit dieser Lehre wollte die Kirche den Menschen und ihren Schwächen entgegenkommen – so wie auch im weltlichen Strafrecht nicht auf jede Tat gleich die Höchststrafe steht, sondern je nach Schwere des Verbrechens unterschiedliche zeitlich befristete Strafen verhängt werden. Und so wie im weltlichen Strafrecht Wiedergutmachungen – etwa die Zahlung an eine gemeinnützige Einrichtung – zu einem Strafnachlass führen können, wurde das auch auf die Strafen im Jenseits angewandt: Wer seine Sünden nicht nur beichtet und damit als ersten Schritt die Lossprechung durch den Priester erlangt, sondern dann auch noch Gutes tut oder für einen guten Zweck spendet, muss nach dem Tod weniger lang dafür büßen.

Daraus entwickelte sich bis ins 16. Jahrhundert ein Handel mit dem Ablass, der trotz mancher Exzesse lange eine wichtige Funktion hatte. Damit wurden etwa Brücken, Waisenhäuser und Kirchbauten finanziert – in einer Zeit, als es noch keinen Sozialstaat gab. Als das weltgrößte kirchliche Bauprojekt, der Petersdom in Rom, damit finanziert wurde, lief die Sache aus dem Ruder; der Ablass wurde zur Handelsware. Dies wiederum löste unter anderem die Reformation aus.

Als Reaktion auf die Kritik Luthers verbot das Konzil von Trient 1563 den Ablasshandel, bestätigte aber im Wesentlichen die Lehre vom Fegefeuer und von den zeitlichen Sündenstrafen. Damit blieb auch das Ritual des vollkommenen Ablasses, den der Papst zu besonderen Gelegenheiten allen Sündern auf der ganzen Erde mit seinem Segen gewährt, bestehen. Und das funktioniert ganz ohne Geld – aber nur nach vorheriger Beichte, Buße und Kommunionempfang, und nach Gebeten im Sinne des Papstes.

Von Ludwig Ring-Eifel (KNA)