Pierre Stutz im Interview: Ermutigung zur Trotzdem-Hoffnung

Der Theologe Pierre Stutz spricht im Interview über die Beweggründe für sein aktuelles Buch, über das Suchen und Ankommen sowie den Umgang mit sich selbst.
Ermutigung zur Trotzdem-Hoffnung

Pierre Stutz Foto: © Jannick Mayntz

Essen – Pierre Stutz ist am Sonntag, 7. Mai, in Essen beim cvjm e/motion zu Gast. Im Gepäck hat er ein neues Buch mit dem Titel: „Suchend bleibe ich ein Leben lang“. Im Interview spricht der Theologe über die Beweggründe für sein Buch, über das Suchen und Ankommen sowie den Umgang mit sich selbst.

Welche konkreten Erfahrungen haben dich zu diesem Buch bewegt? 

Pierre Stutz: Die Zeit während der Pandemie hat auch mich verunsichert und viele Fragen ausgelöst. Um nicht in der Verlorenheit stecken zu bleiben, habe ich Tag für Tag in Meditationen aufgeschrieben, was mich stärkt, was mich schmerzt, was mir gut tut, was mich mitfühlend werden lässt, was mich erahnen lässt, verwundet und aufgehoben zu sein … ein spiritueller Mensch nimmt täglich wahr, was ist, ohne es gleich bewerten zu wollen, in dieser Grundhaltung sind meine 150 meditativen Texte entstanden, die sich auch wie Tagebucheinträge lesen.

„Suchend bleiben“ hört sich auf den ersten Moment anstrengend an. In welchem Verhältnis steht diese Haltung zur Sehnsucht anzukommen, anzuhalten, einfach nur da zu sein? 

Stutz: „Suchend bleibe ich ein Leben lang, weil ich immer schon Gefundener bin“, heißt es in einem meiner Meditationen. Suchend bleiben, heisst für mich, aufbrechen und ankommen, lachen und weinen, hoffen und zweifeln nicht mehr zu trennen im Leben. So kann ich end-lich (im doppelten Sinne) einfach sein, weil ich in all meinem Ringen immer schon bewohnt bin von einer göttlichen Segenskraft, die mich innerlich aufrichtet. Es bedeutet, sich zu verabschieden von der Überforderung, irgendwann über den Dingen zu stehen. Wenn wir uns wie mein Lebensfreund aus Nazareth dem Leben liebend in die Arme werfen, dann können wir jeden Tag neu danken, staunen und zugleich verletzlich und solidarisch sein.

Das Lebensgefühl vieler Menschen ist durch Unsicherheit und Ungewissheit geprägt. Du wirbst seit vielen Jahren für eine geerdete Spiritualität. Welcher Gedanke scheint dir in diesem Zusammenhang für Menschen heute besonders wichtig zu sein? 

Stutz: In meinen Meditationen stehe ich zu meiner Unsicherheit und zugleich erinnere ich mich, mehr zu sein als meine Ängste. Deshalb ermutige ich mich und andere, auch gut mit sich selbst zu sein, um mit anderen einen gesunden Lebens- und Arbeitsrhythmus entfalten zu können. Je mehr wir gefordert sind im Gestalten unserer Beziehungen und in unserem sozialpolitischen Engagement, desto mehr brauchen wir die Kunst des Innehaltens. Um nicht in einem defizitär-angstbesetzten Lebensgefühl stecken zu bleiben, braucht es die Entschiedenheit, auch gut für sich selbst zu sorgen, um in kämpferischer Gelassenheit sich mit anderen für eine Welt zu engagieren, die anders werden kann, zärtlicher und gerechter. Ich ermutige uns, zu einer Trotzdem-Hoffnung, indem wir regelmässig den Tag hindurch im tiefen Durchatmen uns verbinden mit all den Friedensmenschen, die sich auf der ganzen Welt für die Menschenrechte ein- und aussetzen.

Interview:  Judith Dimke-Schrader

Weitere Info: Pierre Stutz ist Theologe und spiritueller Autor vieler Bücher. In der Reihe „Im Lot. Impulse zu Leben und Tod“ liest er am 7. Mai, 16 Uhr, beim cvjm e/motion, Herbrüggenstraße 144. Im Anschluss wird zur Begegnung eingeladen. Der Eintritt zur Lesung ist frei.