In der St.-Laurentius-Kirche in Herne-Wanne hilft Kunst beim Beten und Meditieren. Pfarrer Franz-Josef Hoffmann schaffte vielfältige Kunstwerke an.

„Das Wiedersehen“ ist kein Barlach-Original, vielleicht die Arbeit eines Barlach-Schülers. Zwei echte Barlachs sind dennoch in St. Laurentius in Wanne zu finden. –Foto: Zimmer
Herne – Sie nennt sich nicht Kunstkirche. Sie will auch keine Kunstkirche sein. Aber es ist viel hochkarätige Kunst in ihr zu finden. Führungen gibt es nahezu keine. Öffnungszeiten sind gleich Gottesdienstzeiten. Die Kirche St. Laurentius in Wanne-Nord, im westlichsten Zipfel des Erzbistums Paderborn, 20 Kilometer entfernt vom Essener Dom, ist ein Geheimtipp.
Im Wanderer selbst dargestellt
Pfarrer Franz-Josef Hoffmann wirkte dort von 1970 bis 2004. Mit Mitteln aus einem größeren Erbe wollte er den Menschen der Region etwas bleibend Gutes tun. Er schaffte vielfältige Kunstwerke an. Nicht um der Kunst willen. Mit den Werken wollte er den religiösen Sinn in den Kirchbesuchern ansprechen, das Evangelium verkünden, Suchenden einen Weg zum Glauben zeigen. Er hat die Werke nicht nur angeschafft, sondern ihnen auch den genauen Platz in der Kirche zugewiesen.
Drei Barlachs sind zu entdecken. Der „Wanderer im Wind“ steht, besser geht, sich dem Sturm entgegenstemmend, an einer Säule in Eingangsnähe. Der Sohn des im Dritten Reich als entartet geltenden Künstlers sagte zu Pfarrer Hoffmann bei dessen Besuch in Ratzeburg, sein Vater habe nicht die Hand zum „römischen Gruß“ erhoben. Stattdessen hob er die Hand nur, um den Hut in die Stirn zu ziehen. Den Mantel festhaltend ging er seinen eigenen Weg. Im Wanderer stellte er sich selber dar. Im Übrigen habe Ernst Barlach nichts dagegen gehabt, wenn andere sich heute darin in ihren Lebenssituationen wiederfinden.
Im rechten Seitenschiff sitzt Barlachs „Lehrender Christus“. Geschaffen wurde er 1931. Es waren die Jahre, in denen das Christkönigsfest aufblühte und Christus häufig mit Krone und Weltkugel als Weltenrichter dargestellt wurde. Barlachs Lehrender sitzt da, ohne Buch, mit offenen Händen, die Mühseligen empfangend. Sein Sosein ist seine Lehre. Gemeindereferentin i.R. Elisabeth Kranz, die 30 Jahre mit Hoffmann arbeitete und zu vielen Künstlergesprächen mitfuhr, fragte in Katechesen die Kinder, was der Christus wohl sage. Ein Kind antwortete: Setz dich zu mir auf meinen Schoß!
Barlachs berühmte Begegnung ist zentral aufgestellt
Barlachs berühmte Begegnung zwischen Thomas und Christus ist zentral im Mittelflur aufgestellt. Niemand kommt unbeeindruckt an den beiden Figuren vorbei, die sich innig halten und anschauen. Als einzige der Plastiken handelt es sich um ein Imitat. Ob Hoffmann beim Kauf nicht wusste, dass es eine Fälschung war oder ob er, dies wissend, sie wegen ihrer Ausdrucksstärke dennoch aufstellte oder ob er meinte, sie stamme von einem Barlachschüler, können wir ihn nicht mehr fragen.
Einen vierten Barlach gab es noch, einen weiteren echten, sein Bettler mit Krücken, eine Riesenbronze. Es ist die einzige Figur, die wieder aus der Kirche ausgewandert ist. Sie stand am inneren Kirchportal. Jeder Eintretende konnte sie berühren. Der Bettler schaute von unten nach schräg oben zielgenau auf ein vorreformatorisches Verkündigungsbild. Das hängt noch immer unter der Decke der Orgelempore. Der Bettler ist arm, sagte Hoffmann, aber er hat das Geheimnis der Menschwerdung Christi entdeckt. Darum ist er reich.
Nach Hoffmanns Pensionierung gab es wohl Umstellungen im Kirchenraum, die der feinsinnige Zusammensteller aller Werke nicht für gut befand. Er nahm die Plastik, privat von seinem Erbe bezahlt, wieder heraus und schenkte sie dem Dom in Münster. Heute steht sie dort im Domkreuzgang.
Rohlfs, Kollwitz und Meistermann
Was entdeckt man noch? Eine Madonna mit Kind um 1450 und viele mittelalterliche Bilder und Skulpturen, den Holzschnitt „Der Gefangene“ von Christian Rohlfs 1918, eine signierte Käthe-Kollwitz-Grafik, einen Aquarell-Kreuzweg von Ernst Oldenburg, wunderbare Prinzipalstücke von Josef Rikus aus Paderborn, im Ambo der Prophet Jeremia, die Schriftrolle im Feuer schützend, den Volksaltar mit Emmaus-„Höhle“.
Die Fenster der acht Seligkeiten und weitere sind von Prof. Georg Meistermann. Sieben Skulpturen von Prof. Gerhard Marcks findet man darüber hinaus. Einige kaufte Hoffmann in Galerien. Sie hatten ursprünglich profane Bedeutung. Im Kirchenraum weisen sie hin auf Szenen des Evangeliums, etwa der Sämann oder die „Begegnung“, die in St. Laurentius die zwischen Maria und Elisabeth meint.
Es ragt heraus Marcksens Kampf Georgs mit dem Drachen. Erotische Anspielungen und fehlende Wunde bei der Echse geben Rätsel auf. Jeder findet Werke, die ihn erfreuen oder aufbauen, aber auch solche, die ihn überraschen, an denen er sich reibt.