An der mit Nigeria vereinbarten Rückgabe von rund 1.100 in deutschem Besitz befindlichen Kulturgütern wird Kritik laut.
Berlin – An der mit Nigeria vereinbarten Rückgabe von rund 1.100 in deutschem Besitz befindlichen Kulturgütern wird Kritik laut. „Rückgaben dürfen nicht um jeden Preis erfolgen“, sagte die kulturpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion, Christiane Schenderlein (CDU), der „Welt“. „Vor einer Rückgabe muss sichergestellt werden, dass die Kulturgüter nicht zerstört oder versteckt werden, sondern zum Beispiel in Museen oder Ausstellungen öffentlich zugänglich gemacht werden.“
Auch müsse die Zusage von Leihgaben noch stärker eingefordert werden, fügte sie hinzu. Die Erklärung zur Restitution der 1897 von Briten geraubten und von Deutschland gekauften Benin-Bronzen war im Sommer 2022 ohne Bedingungen und Auflagen vereinbart worden. Im Dezember 2022 überreichte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) die ersten 20 Kunst- und Kulturgegenstände an den nigerianischen Staat.
Erwartet wurde eine intensive Museumszusammenarbeit. Doch im März 2023 verkündete der scheidende Staatspräsident Muhammadu Buhari, dass sämtliche Benin-Bronzen in den Besitz von Oba Ewuare II., Oberhaupt der früheren Königsfamilie Benins, übergeben werden. Nun ist unklar, ob die Artefakte weiterhin der Öffentlichkeit zugänglich sein werden.
Die Fraktionen der Ampel-Koalition verteidigten die Rückgabe. „Wenn Restitution und Repatriierung nach deutschen Spielregeln erfolgen sollen, dann können wir uns den gesamten Prozess letztlich sparen“, sagte der kultur- und medienpolitische Sprecher der SPD, Helge Lindh. „Rückgabe von Raubkunst mit Vorgaben und an die betroffenen Staaten und Herkunftsstaaten wäre Fortschreibung des Kolonialismus mit anderen Mitteln. Selbst wenn Objekte gänzlich der Öffentlichkeit entzogen werden, müssen wir das gefälligst ertragen.“
Der kulturpolitische Sprecher der Grünen, Erhard Grundl, erklärte, es sei nicht die Sache Deutschlands, Bedingungen zu stell. Auch der medienpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Thomas Hacker, betonte: „Rückgabe bedeutet eben Rückgabe.“ Er sei aber überzeugt: „Die zurückgebrachten Bronzen werden absprachegemäß der Öffentlichkeit präsentiert.“
Die mehr als 1.130 Bronzen waren bislang Teil der Sammlungen des Lindemuseums in Stuttgart, des Berliner Humboldt-Forums, des Kölner Rautenstrauch-Joest-Museums, des Hamburger Museums für Kulturen und Künste der Welt sowie der Staatlichen Ethnographischen Sammlungen Sachsens.
Geplant war, die 20 Bronzen 2023 in einer Sonderausstellung gemeinsam mit zeitgenössischer Kunst zu zeigen. Dauerhaft sollten sie im geplanten Edo-Museum für westafrikanische Kunst ausgestellt werden. In Nigeria sind die Bronzen nicht nur Kunstwerke, sondern haben in der Region, in der einst das Königreich Benin lag, bis heute traditionelle und religiöse Bedeutung.
Mehr als 3.000 Artefakte waren 1897 während der britischen Benin-Expedition auf dem Boden des heutigen Nigeria von den Eroberern aus dem Königspalast des Oba, des traditionellen Machthabers, geraubt worden.