Essen: Visitatoren geben Pfarrei nach Sonderprüfung Empfehlungen

Die Propsteipfarrei St. Ludgerus soll ihre Informationspolitik verbessern. Dies ist das zentrale Ergebnis einer außerordentlichen Visitation, deren Abschlussbericht jetzt vorliegt.

Die Basilika St. Ludgerus in Essen-Werden. –Foto: © Juliane Jacobs | Dreamstime.com

Die Propsteipfarrei St. Ludgerus soll ihre Informationspolitik verbessern. Dies ist das zentrale Ergebnis einer außerordentlichen Visitation, deren Abschlussbericht jetzt vorliegt. Bischof Franz-Josef Overbeck hatte die Visitation angeordnet, nachdem ihm „mehrfach Beschwerden über die Umsetzung des Pfarreientwicklungsprozesses (PEP) vorgetragen worden“ waren. 

Weihbischof Ludger Schepers, Herbert Hölsbeck, Kanzler der Kurie und Leiter der Abteilung Kirchenrecht im Bischöflichen Generalvikariat, sowie Dr. Anna Meiers, Referentin für Kirchenrecht und Diözesanrichterin in Münster, führten die Überprüfung durch. Hölsbeck und Meier stellten den Bericht nun im Gemeindezentrum von St. Kamillus vor. 

Overbeck hatte zwei Aufträge erteilt. Die Visitationen sollen klären, ob hinsichtlich des Zustandekommens und der Umsetzung des Pfarreientwicklungsprozesses Rechtsverstöße vorliegen. Und sie sollten hinsichtlich der Umsetzung des Pfarreientwicklungsprozesses Empfehlungen aussprechen.

Konkret empfehlen die Visitatoren, dass Kirchenvorstand und Pfarrgemeinderat einmal im Quartal zum Abschluss ihrer ordentlichen Sitzungen „zeitlich begrenzt in öffentlicher Sitzung für Fragen, Anregungen und Austausch zur Verfügung stehen“. Außerdem soll die Pfarrei spätestens bis zum Oktober 2023 eine Priorisierung ihrer Projekte vornehmen. Über ihre weiteren Schritte soll die Pfarrei „in öffentlicher Veranstaltung“ informieren.

Zugleich stellt der Abschlussbericht fest, dass aus kirchenrechtlicher Sicht der Pfarreientwicklungsprozess in der Propsteipfarrei nicht zu beanstanden sei. Auch eine Amtspflichtverletzung durch Propst Jürgen Schmidt liege nicht vor.

Die Vistiatoren begründen ihre Empfehlung damit, dass das „Thema der mangelnden Transparenz und Kommunikation“ die Propsteipfarrei im Pfarreientwicklungsprozess „von Anfang an und zunehmend“ beschäftigt habe. Dass die Gremien sich direkt zur Diskussion zur Verfügung stellen, „könnte mittelfristig zur Entzerrung des Eindrucks der Kommunikationsverweigerung beitra­gen“. Zwar seien Sitzungen des Kirchenvorstandes nicht öffentlich. „Dies heißt aber nicht, dass die Beratungen und vor allem die Beschlüsse des Kirchenvorstandes und seine Begründungen einer absoluten Verschwiegenheit unterliegen mit der Folge, dass diese von niemandem nachvollzogen werden kann.“

Der Pfarreientwicklungsprozess ziehe sich seit mehr als fünf Jahren hin, die Akzeptanz schwinde. Die Visitatoren sehen „für die engagierten ehrenamtlichen Mitglieder der Gremien“ eine „Gefahr der Überbeanspruchung und Frustration“. Für die Mitglieder der Pfarrei, deren Kirchenstandort infrage stehe, sei „eine jahrelange Unklarheit schwer zumutbar“. Daher seien die Prozesse und Verfahrensschritte gegebenenfalls zu vereinfachen. In jedem Fall seien sie auf Effizienz hin zu überprüfen. 

Der Werdender Konflikt, der sich inzwischen in einem Korrespondenzordner mit rund 1600 Seiten manifestiert, hat seinen Ausgangspunkt im Mai 2017. Damals hatte in Christus König eine In­formationsveranstaltung für die gesamte Pfarrei stattgefunden. Im Nachgang wurde ein offener Brief an Propst Jürgen Schmidt gerichtet, der mehr Beteiligung der Gläubigen auch außerhalb der sogenannten Verantwortungsgremien forderte. Die Zukunft der Pfarrei hänge davon ab, „ob die Verantwortlichen in der Pfarrei weniger verfügen, denn mehr Beteiligung und Mitsprache“ wagen, hieß es in dem Schreiben.

Es folgten weitere Eingaben und wiederholte Medienberichterstattung über Unzufriedenheit in der Pfarrei. Der Visitationsbericht spricht von vor allem sechs Beschwerdeführern, die für sich jedoch in Anspruch nehmen, auch für eine größere Zahl an Gläubigen das Wort zu ergreifen. 

Die Kritik bewegte sich auf mehreren Ebenen: Im Allgemeinen ging es um Fragen mangelnder Transparenz und Kommunikation, formal um die Verfahrensführung und die Zusammensetzung der Gremien, inhaltlich um das verabschiedete Votum sowie die ihm zugrunde liegenden wirtschaftlichen Annahmen. Hierbei wurde auch das Bischöfliche Generalvikariat mit in den Konflikt einbezogen, Moderationsversuche scheiterten offenbar.

Die Visitatoren verdeutlichten in ihrem Bericht mit Blick auf das Kirchenrecht, dass Gläubige nicht nur das Recht, sondern „bisweilen sogar die Pflicht“ haben, ihre Meinung zum Wohl der Kirche zu äußern. Sie dürften sich also „ungefragt zu Wort“ melden  „ohne als Besserwisser oder Querulant zu gelten“. 

Innerhalb der vergangenen gut sechs Jahre hat sich  nach Ansicht der Visitatoren „ein zunehmend gestörteres und in einigen Fällen zerrüttetes Vertrauensverhältnis “ entwickelt. „Einzelne Einlassungen sind hinsichtlich ihrer Diktion und der Art ihrer Verbreitung durchaus potentiell geeignet, nicht nur die konkreten Bemühungen hinsichtlich einiger Projekte, sondern die damit betrauten Personen auf Dauer zu beschädigen.“ Allerdings sei auch „zu berücksichtigen, dass sowohl Kritik als auch Protest hinzunehmen sind“.

Er hoffe, „dass die Visitation über die Klärung kirchenrechtlicher Fragen hinaus dazu behilflich sein kann, den Pfarreientwicklungsprozess in einem konstruktiven Miteinander voran zu bringen“, heißt es in einem Schreiben Bischof Overbecks an Propst Schmidt. Ulrich Wiesweg, einer der Kritiker in der Pfarrei, nannte die vordergründig juristisch gehaltene Präsentation des Berichtes in St. Kamillus unterdessen in einer ersten Reaktion „eine kirchenrechtliche Dusche“. Kirchenrechtler Herbert Hölsbeck empfahl allen Beteiligten, den Bericht in Ruhe zu lesen.

Boris Spernol