Bayerns Beauftragter für jüdisches Leben, Ludwig Spaenle, hält Antisemitismus für „unausrottbar“.
München – Bayerns Beauftragter für jüdisches Leben, Ludwig Spaenle, hält Antisemitismus für „unausrottbar“. Historisch handle es sich um „die wohl älteste und wirkmächtigste Zusammenballung negativer Stereotype“, sagte Spaenle am Freitag in München. Der Kampf dagegen sei daher eine Langzeitaufgabe und nicht in fünf Jahren zu erledigen. Der CSU-Landtagsabgeordnete wurde 2018 mit dieser Aufgabe erstmals betraut, sein Mandat endet im Herbst.
Spaenle erinnerte daran, dass er sein Amt an einem „leeren Schreibtisch“ begonnen habe. Sein Bericht listet unter der Überschrift „Für eine Kultur des Hinschauens“ auf 52 Seiten auf, was er seit 2018 unternommen hat. Als seine Hauptaufgabe bezeichnete der Regierungsbeauftragte den regelmäßigen Austausch mit den 15 jüdischen Gemeinden im Freistaat.
Zu Beginn der 1930er Jahre gab es in Bayern demnach rund 35.000 Jüdinnen und Juden, nur wenige überlebten die Schoah. Heute seien es wieder knapp 20.000, davon 90 Prozent aus den Ländern, die 1991 aus der ehemaligen Sowjetunion hervorgingen. Der Bericht hebt die enorme Integrationsleistung der jüdischen Gemeinden in Bayern bei der Aufnahme von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine hervor.
Zufrieden zeigte sich der Beauftragte mit der Sensibilisierung der Zivilgesellschaft für das Thema. So hätten inzwischen 80 Verbände und Gruppen, darunter auch große Fußballclubs aus München und Nürnberg, die Antisemitismusdefinition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) übernommen. Im Sport und in der Wirtschaft gebe es aber noch einiges zu tun, fügte er hinzu.
Gelungen ist aus seiner Sicht auch der Umgang mit historischen Schmähbildern in Bayern. So seien etwa durch die Einrichtung eines Runden Tisches zur „Judensau“ am Regensburger Dom Eskalationen wie in Wittenberg vermieden worden.
Noch nicht erreicht ist die von Spaenle vor zwei Jahren vorgeschlagene Aufnahme eines Staatsziels „Schutz des jüdischen Lebens und Bekämpfung des Antisemitismus“ in die bayerische Verfassung. Solche Bestrebungen gebe es auch in anderen Bundesländern wie Sachsen-Anhalt, berichtete er. In Hamburg sei man „kurz davor“. In Bayern sei dafür jedoch nicht nur eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Landtag vonnöten, sondern auch eine Volksabstimmung. Daher handle es sich um ein „komplexes Unterfangen“.
Handlungsbedarf sieht Spaenle außerdem in der weiteren Vernetzung von Akteuren auf Landesebene. Dazu zählten auch Ehrenamtliche, die jüdische Friedhöfe pflegten oder die Erinnerung an das vor allem im fränkischen Raum einst stark vertretene Landjudentum wiederbelebten. Es gelte solche „außerschulischen Lernorte“ noch mehr zu nutzen.
Der 61-jährige CSU-Politiker, der seine Amtsausübung überparteilich versteht, deutete an, dass er für eine Fortsetzung zur Verfügung stehe, „wenn ich gefragt werde“. Sein Rechenschaftsbericht soll im Laufe des Tages im Internet veröffentlicht werden.