Christophorus bringt Silber und Gold

Das Mittelalterliche Kriminalmuseum in Rothenburg ob der Tauber zeigt die Ausstellung „Schatz und Schatzsuche in Recht und Geschichte“.
Christophorus bringt Silber und Gold

Der Rothenburger Goldmünzschatz ist ein Zufallsfund. Das Gefäß mit Münzen vom Frühmittelalter bis 1673 kam bei Grabungsarbeiten zu Tage. Foto: Thiede

Rothenburg – Reliquienjäger und Geisterbeschwörer, Archäologen und Sondengänger spielen Hauptrollen in der Ausstellung „Schatz und Schatzsuche“. Präsentiert wird sie in der Johanniterscheune des Mittelalterlichen Kriminalmuseums von Rothenburg ob der Tauber. Wünschelruten, vor Dämonen schützende Kreise, handschriftliche und gedruckte Zauberbücher sowie Schatzfunde stehen im Blickpunkt. Der bislang nicht gehobene Schatz des Seeräubers Captain Kidd, Abenteuerromane wie Stevensons „Die Schatzinsel“ und Karl Mays „Schatz im Silbersee“, Filmplakate zu „Indiana Jones“ und Gesetzestexte beschließen die ungewöhnliche Schau.

Der Rundgang beginnt mit Reliquien des 16. bis 19. Jahrhunderts. Zu sehen sind zum Beispiel ein Kreuz mit neun Knochenreliquien, die „Textilreliquie des Hl. Josef“ sowie medaillonförmige Reliquiare (18. Jh.), die Knochenpartikel und Schriftbändchen enthalten. 

Größte Schätze waren Reliquien

Warum finden sich die in einer Schau über Schatzsuche? Markus Hirte, der Direktor des Kriminalmuseums, antwortet: „Die größten Schätze des Mittelalters waren Reliquien.“ Die Fahndung nach den in Vergessenheit geratenen Heiligengräbern war somit eine Schatzsuche.

Die erstaunlichste und umfangreichste Abteilung widmet sich der magischen Schatzsuche mittels pseudochristlicher Rituale und Gebete. Zu finden sind sie in Zauberbüchern wie dem „Goldenen Habermann“ (1855). Der Titel spielt auf den lutherischen Theologen Johann Habermann (1516-1590) an, dessen populäres Gebetbuch unter dem Namen „Der kleine Habermann“ bekannt war. „Das sechste und siebte Buch Mosis“ (1851) pries Johann Scheible, Herausgeber der Zauberbuchreihe „Handschriftliche Schätze aus Kloster-Bibliotheken“, so an: „Mosis magische Geisterkunst, das Geheimniß aller Geheimnisse.“ Das Zauberbuch „Doctoris Johannis Fausti sogenannter Manual-Höllenzwang“ (1849) versah Scheible mit der falschen Angabe „Wittenberg Anno 1524“. Es stellt die Geister vor, die „herbeicitirt“ werden können. Unter ihnen ist „Aciel“ der mächtigste. Er „verschafft Geld und entlegene Sachen nach des Menschen Willen“. Seine „Citatio“ erfolgt unter Berufung auf Gott den Vater, Jesus Christus, die vier Evangelisten, alle Engel und Erzengel. Der citirte Geist führt angeblich die Befehle aus, wenn der Beschwörer ruft: „Dazu dich zwingen und bringen soll Tod, Teufel und Hölle!“ Mit solcherlei Aktivitäten läuft der Beschwörer Gefahr, sein Seelenheil zu verlieren. Aber auch da weiß Fausts Höllenzwang Rat: Ausführlich wird geschildert, wie der Beschwörer den Teufel wieder loswird. Er ziehe mit dem Blut eines Lammes die drei Ringe des Zauberkreises um sich und schreibe Luthers Lied „Gott der Vater wohn uns bei“ hinein.

Als verlässliche Lieferantinnen von Schätzen galten die Heiligen Corona und Gertrud. Die entsprechenden Gebetstexte sind ausgestellt. Beliebter noch war das „Christophelgebet“. Es wendet sich an den heiligen Christophorus: „Wir seufzen und klagen dir mit größten Schmerzen unser Armuth und Noth. Du aus allen Heiligen Gottes bist allein unser Trost, unser ganz festes Vertrauen, dann nächst Gott wissen wir keinen getreueren Patron und Fürbitter im Himmel, noch auf Erden.“ Dem „von Gott gesetzten großmüthigen Schatzmeister des verborgenen Geldes in der ganzen Welt“ befehlen die Beschwörer, Silber und Gold zu bringen. Denn das ist ein Unterschied zwischen Religion und Magie: In der Religion wird gebittet, die Magie hingegen will zwingen. Ihre Forderung aber sollen die Christoffelbeschwörer so begründen: „Damit die immerwährende Anbetung Jesu im allerheiligsten Altarsakramente, zur göttlichen Ehre und zum Heil unseres Nächsten gestiftet werde.“ Zwischen den einzelnen Beschwörungen gilt regelmäßig die Anweisung: „Darauf bete 5 Vaterunser, 5 Ave Maria und 1 Glauben.“

Verbot der magischen Schatzsuche

Sowohl Handschriften wie „Des Bischoffs Albrechts Geister-Beschwerungen, zwanzig mächtige Geister zu citiren und beruffen, Schätze und anders mehr von ihnen zu bekommen“ (um 1750) als auch die gedruckten Zauberbücher enthalten eine abenteuerliche Mixtur von magischen Beschwörungsformeln und christlichen Gebeten. Hinzu treten Anweisungen zur Herstellung des mit dem Namen Gottes versehenen magischen Kreises, in den sich der Beschwörer stellen soll, damit ihm die Dämonen nicht an den Kragen gehen können. Bemerkenswerterweise wird von den Beschwörern ein gottesfürchtiger Lebenswandel verlangt. So schreibt Scheible: „Hierbey aber merke, daß dir kein Geist pariret, wo du in der göttlichen Schrifft nicht wohl erfahren bist“, grobe Sünden begangen hast, nicht fleißig die Kirche besucht und das „heilige Nachtmahl“ empfangen hast. Die Zauberbücher werden bis heute gedruckt und erfreuen sich großer Nachfrage.

Die Kirche verbot die magische Schatzsuche und die Obrigkeit legte gesetzlich fest, dass mit solchen Mitteln gefundene Schätze dem Staat zufallen sollen. Aber gibt es auch nur einen Schatz, der durch Geisterbeschwörung gefunden wurde? Auch heute noch sind trotz des wissenschaftlichen Vorgehens der Archäologen, professionell arbeitender Schatzsuche-Unternehmen und der zumeist planmäßig agierenden Hobby-Sondengänger Zufallsfunde wie der 1998 bei der Sanierung eines Hauses ausgegrabene „Rothenburger Goldmünzschatz“ die Regel. 

Und wem gehört ein Schatzfund? Das Bürgerliche Gesetzbuch legt fest, dass Finder und Grundbesitzer sich den Schatz zu gleichen Hälften teilen. Doch die deutschen Bundesländer haben das Recht auf Sonderregelungen genutzt und das „große Schatzregal“ eingeführt. Das sieht einen entschädigungslosen Eigentumserwerb des Landes bei kulturhistorisch bedeutsamen Fundsachen vor. Bayern ist das einzige schatzregallose Bundesland. Die Einbringung eines Gesetzentwurfes mit dem Ziel, ein Schatzregal einzuführen, ist jedoch beschlossen.

Veit-Mario Thiede

Die Schau ist bis 31. Dezember 2024  zu sehen. Weitere Informationen auf www.kriminalmuseum.eu.