Der Münchner Kardinal Reinhard Marx bedauert, das Thema Missbrauch in der katholischen Kirche anfangs zu wenig ernst genommen zu haben.
München – Der Münchner Kardinal Reinhard Marx bedauert, das Thema Missbrauch in der katholischen Kirche anfangs zu wenig ernst genommen zu haben. „Als das in den USA vor mehr als 20 Jahren bekannt wurde, dachten wir: Bei uns ist das nicht so“, sagte der Erzbischof von München und Freising dem „Münchner Merkur“ (Dienstag). Für ihn sei es ein Schock gewesen, dass sein Idealbild von Kirche, das er als junger Priester gehabt habe, so konfrontiert worden sei mit einer dunklen Seite. „Aber ich muss damit leben, und wir müssen das besser machen.“
Der Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche in Deutschland sei ein Einschnitt gewesen, führte der Kardinal aus. „Mir war klar, dass wir daran lange, lange arbeiten müssen.“ Bei all dem Furchtbaren müsse man aber auch sehen, dass viel in der Aufarbeitung und in der Prävention gemacht worden sei. Seit der Veröffentlichung des zweiten für die Erzdiözese in Auftrag gegebenen Gutachtens bemühe man sich noch einmal verstärkt um die Betroffenen.
In der Öffentlichkeit vermisse er aber, so Marx, dass zuweilen nicht gesehen werde, was in den vergangenen 13 Jahren geleistet worden sei: „Keine andere Institution beackert das Thema so gründlich wie wir – auch der Staat nicht!“ Seine Zeit als Erzbischof sei davon geprägt. „Hoffentlich wird man in 50 und 100 Jahren sagen: Die haben aber was getan, die haben es nicht schleifen lassen. Und daran arbeiten wir“, sagte der Kardinal.
Die steigende Zahl der Kirchenaustritte bedrücke ihn sehr, erklärte Marx. Inzwischen merkten aber einige auch, was passieren werde, wenn die Präsenz der Kirchen marginal werde. Zu wenig sei bewusst, dass die Kirchensteuer einen großen Beitrag für das Gemeinwohl leiste. „Nehmen wir nur die wunderschönen Kirchen bei uns: Diese Barockkirchen sind ein Fest! Ohne Kirchensteuer könnten wir das gar nicht auf dem Niveau halten!“ Auch die Kirchensteuerzahler würden nicht ausreichend wertgeschätzt, sagte Marx: „Sie zahlen zweimal: durch ihre Steuern an den Staat und durch ihre Kirchensteuer. Ich sage den Kirchensteuerzahlern dafür herzlichen Dank!“