Innehalten mitten auf der Wottelkirmes 

Erntedankzeit bedeutet in Königshardt Wottelkirmes. Und dazu gehört auch die jährliche Autoscooter-Messe.
Innehalten mitten auf dem Rummelplatz

Rosemarie Schmalhaus (l.) ist seit Anfang an dabei. –Foto: Ulrich Wilmes

Oberhausen – Kinder haben es sich in Rennwagen bequem gemacht, die Musiker sitzen am Rand vor einem Bild der Freiheitsstatue, die rund 400 Gottesdienstbesucher stehen mitten auf dem Fahrfeld. „Macht hoch die Tür“ singen sie von Bläsern unterstützt zu Beginn – zum Erntedank bei der Autoscooter-Messe auf der Wottelkirmekirmes in Königshardt. Innehalhalten auf dem Rummelplatz.

Begründet wurde diese in Nordrhein-Westfalen wohl einmalige Messtradition vor rund drei Jahrzehnten von Schaustellerinnen und Schaustellern gemeinsam mit Prälat Emil Breithecker, dem 2014 verstorbenen ehemaligen Pfarrer in Königshardt. „Don Emilio“, erzählt Rosemarie Schmalhaus, „hat mich in damals ermutigt, Gedanken für eine Ansprache im Gottesdienst aufzuschreiben“. Die Schaustellerin hält seither jedes Jahr auf der Wottelkirmes eine Laienpredigt. „Anfangs zeigte ich ihm noch meine Kladde mit dem Entwurf der Ansprache“, verrät sie nach der Messe im Kirmestrubel an ihrem Wagen mit den gerösteten Wiener Mandeln.

Die Alten bewegen immer noch vieles

Über viele Themen hat sie in all den Jahren hier gesprochen, etwa auch zum Leben und Tod von Lady Di (1997). Über Seniorinnen und Senioren spricht sie in der Autoscooter-Messe 2023 – ausgehend von einer Frage, die sie schon oft vernommen hat: „Können die Alten nicht zum Einkauf kommen, wenn es leer ist?“ Die Schaustellerin und gelernte Krankenschwester hat darauf eine deutliche Antwort. „Nein, denn alte Menschen sind auch einsam“, betont sie. „Diese Alten haben uns doch auf die Welt gebracht.“

Oft seien sie Großeltern, manchmal Menschen ohne Verbindungen und ohne einen Platz im Leben Jüngerer. „Dann nehmen uns solche Menschen viel von unserer Würde.“ In einer Welt des Jugendwahns, des Alltags- und Schönheitsstresses bewegten „die Alten“ immer noch Vieles. „Wir können menschlich viel von uns geben“, sagt Schmalhaus und berichtet: „In meiner Zeit als Krankenschwester habe ich alte Menschen erlebt, die aus Kummer starben …“ Und ergänzt: „Weil sie ‚über‘ waren“.

„Teilt, und feiert mit Freude Kirmes“

Auch ein Totengebet hatte Platz auf dem Autoscooter- Terrain mitten auf der Kirmes, für Verstorbene aus dem Stadtteil und für zwei zu früh verstorbene Seelsorger in St. Barbara seit 2014. Die Gemeinde machte, trotz dieser Rückschläge, ohne Pastor mit Ehrenamtlichen weiter. Dafür steht auch Anne Henze, die die Zügel für die Messe auf der Kirmes zusammenhält. „Wir müssen als Gemeinde hier Kirche bauen mit offenen Türen. So, dass frischer Wind wehen kann. Wir müssen offene Fenster bauen, das wir sehen, was außerhalb unserer Mauern los ist“, sagt sie.

Wo es um Leben, Freude und Feiern mitten in der Welt ging, erinnerte Zelebrant Ludger Kleimann auf der Kirmes an den Heiligen Franz von Assisi. Der 84-Jährige Geistliche gestaltete das Hochgebet zur Wandlung an Erntedank mit ausgewählten Texten zum Leben und zum Teilen. Auch bei der Autoscooter-Messe steht am Ende der Segen. Kleimann sagt: „Gehet hin in Frieden. Heute heißt das: Seid ohne Angst und Habgier, teilt, und feiert mit Freude Kirmes.“

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