Die Nachrichten und Bilder aus Israel erschrecken. Die grauenhafte Lage überschattet den Feiertag Simchat Tora – auch in Deutschland.
Bonn – Normalerweise ist es ein Fest der Freude: das jüdische Simchat Tora. Dann endet und beginnt der jährliche Zyklus der Lesung aus der Thora. Sie steht im Mittelpunkt, Kinder werden in das Fest eingebunden und freuen sich auch über Süßigkeiten. Unter dem Eindruck der massiven Angriffe der Hamas auf Israel am Samstag zeigt sich in Gottesdiensten in Deutschland an einigen Orten jedoch ein anderes Bild. Hinzu kommt die Sorge des Zentralrats der Juden um die Sicherheit von Synagogen und jüdischen Einrichtungen hierzulande.
Rabbiner und Gemeindemitglieder berichten über gedrückte Stimmung und höchstens verhaltene Freude in Gottesdiensten am Samstagabend zu Beginn des Feiertags. Zumal etliche Menschen Familie, Freundinnen und Freunde in Israel haben. Es ist zu hören, dass deutlich weniger Menschen in Synagogen kommen – was in kleinen Gemeinden dazu führen kann, dass die für einen Gottesdienst nötige Anzahl von zehn Betern, der Minjan, überhaupt nicht zustande kommt.
So etwa in der Jüdischen Gemeinde Bonn. Still ist es am Samstagabend in der Straße, in der die Synagoge liegt. Vor dem Gebäude brennt eine Kerze. Am Vormittag des Ruhetags Schabbat sei noch eine ausreichende Anzahl an Männern für einen Gottesdienst zusammengekommen, sagt ein Gemeindemitglied, das namentlich nicht genannt werden möchte. Am Abend habe sich jedoch kein Minjan gebildet, so dass der Gottesdienst nicht wie üblich habe gefeiert werden können. Auch seien nur wenige Kinder dabei gewesen. Es habe mehr Trauer als Freude geherrscht. Und: „Der Vorbeter hat für die Opfer in Israel und die Armee gebetet.“
In größeren Gemeinden fehlt es zwar nicht an Beterinnen und Betern, aber auch dort ist es kein normaler Feiertag. „Die Menschen sind verunsichert“, sagt Abraham Lehrer, Vorstandsmitglied der Kölner Synagogen-Gemeinde und Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. Am Samstagabend seien 90 bis 100 Menschen anwesend gewesen, weniger als sonst. Auch hier: „Viele Kinder sind ferngeblieben.“ Zum Thema Sicherheit möchte sich Lehrer nicht äußern, sagt aber: „Wir sind in gutem Kontakt mit der Kölner Polizei.“
Von schätzungsweise 40 Männern und Frauen am Abend in der Berliner Synagoge Sukkat Schalom spricht Rabbiner Andreas Nachama, der erster stellvertretender Vorsitzender der Allgemeinen Rabbinerkonferenz ist. Normalerweise sei doppelt so viel los. „Die Stimmung war gedrückt und verhalten.“
Vor Beginn des Feiertags teilte der Zentralrat der Juden auf X mit: „Die polizeilichen Maßnahmen vor jüdischen Einrichtungen werden bundesweit erhöht. Damit wird auf die abstrakt hohe Gefährdung reagiert.“ Es sei alles dafür zu tun, dass die Gottesdienste zu Simchat Tora störungsfrei verlaufen könnten. „Weiterhin gilt: Keine Gewalt, keine Ausschreitungen und kein Hass auf deutschen Straßen.“
Das Fest dauert bis Sonntagabend. Am Vormittag dankt der Zentralrat als Dachverband von jüdischen Gemeinden in Deutschland für die Solidarität und spricht von einem schnellen Handeln der Sicherheitsbehörden zum Schutz jüdischer Einrichtungen.
„Der Terrorkrieg der Hamas und der libanesischen Hisbollah gegen Israel ist an Grausamkeit kaum zu überbieten“, so der Präsident des Zentralrats, Josef Schuster. „Die Gefährdung für jüdische Einrichtungen auch hier in Deutschland zeigt, dass es den Terroristen nicht allein um Israel geht, sondern dass jüdisches Leben überall von ihnen in Frage gestellt wird.“