Viele möchten einmal Polarlichter sehen. Dafür muss man in den kommenden Jahren gar nicht weit reisen. Weil Sonneneruptionen dann wieder einen Höhepunkt erreichen, werden auch hierzulande Nordlichter wahrscheinlicher.
Bonn (KNA) Sanft wehende Vorhänge, imposant aus dem Himmel fallende Wasserfälle, tanzende Spiralen – Polarlichter faszinieren immer wieder. Oft schimmern sie in gelblich-grünem Licht, mitunter wabern sie aber auch in Pink-, Lila- und Rottönen am sternklaren Nachthimmel. Meist sind sie nur in den Polregionen zu beobachten. Doch die Chancen stehen gut, dass sie nun auch vermehrt über Deutschland zu sehen sein werden.
„2024 erwarten wir das Maximum im Sonnenzyklus – dann wird es die meisten Sonnenflecken, Sonnenstürme und magnetischen Stürme geben“, erläutert Jürgen Matzka den Grund. Er forscht am GeoForschungsZentrum (GFZ) Potsdam über Geomagnetismus und Weltraumwetter. Nordlichter werden demnach vor allem in der abklingenden Phase zu beobachten sein, „damit steigen auch bei uns die Chancen“. Matzka rechnet damit, dass die nächtlichen Lichterscheinungen nun deutlich intensiver sein werden als in den vergangenen 15 Jahren.
Die Stärke der Sonneneruptionen hängt vom Sonnenfleckenzyklus ab. Alle elf Jahre gibt es besonders heftige Eruptionen und folglich auch sehr intensive Nordlichter. Wenn die Sonnenpartikel durch das Weltall geschleudert werden und mit 800 Stundenkilometern auf das Magnetfeld der Erde treffen, entstehen um die Polkappen Polarlichter. Besonders in den Wochen um die Tag- und Nachtgleiche im Frühjahr und Herbst sind sie – zeitverzögert um rund 70 Stunden – auf der Erde zu beobachten.
Heute ist das Phänomen durch das Beobachten des Weltraumwetters und Nordlicht-Apps gut vorhersehbar. Viele tausend Jahre aber haben diese Lichterscheinungen Menschen in Angst und Schrecken versetzt. Arktische Völker konnten sich dieses himmlische Farbenspiel nur mit übernatürlichen Ursachen erklären. So wähnten sie Götter am Werk, sahen darin einen Gruß der Seelen von Verstorbenen. Um die Totenruhe nicht zu stören, gingen die Sami in solchen Nächten nicht nach draußen. Aber auch von riesigen Polarfüchsen ist die Rede, die am Himmel toben und deren Ruten im wilden Spiel farbige Funken erzeugen.
Stephane De Greef bringt in Finnisch-Lappland Urlaubern die Welt der Nordlichter näher. Der belgische Weltenbummler, Fotograf und Umweltingenieur kennt nicht nur viele Mythen, sondern auch wissenschaftliche Details. „Sonnenpartikel reagieren mit dem Sauerstoff in der Erdatmosphäre – je nachdem, in welcher Höhe sie auf diese treffen, entstehen unterschiedliche Farben“, weiß De Greef. Am häufigsten sei grünes Licht zu sehen, das in einer Schicht zwischen 200 und 300 Kilometern über der Erde erzeugt werde, Lila- und Pinktöne etwa 400 Kilometer über der Erde.
Das Highlight für jeden Nordlichtfan ist eine sogenannte Corona. Dabei scheint es, als würde sich der Himmel über einem öffnen und von oben bunte, tanzende Strahlen auf die Erde fallen. „Ich kann verstehen, dass das Menschen früher erschreckt hat“, sagt De Greef.
Von den vielen Nordlichterscheinungen indes bekommen Naturliebhaber gar nichts mit. „Das menschliche Auge ist nicht für das farbige Sehen in der Nacht gemacht, dafür braucht es mehr Licht“, erläutert De Greef. Während Fotografen mit langer Belichtungszeit und Stativ schon imposante Bilder im Kasten haben, schaut der Mensch noch angestrengt in die Nacht und überlegt, ob die grau-gelbe, wie eine sanfte Rauchfahne wirkende Erscheinung am Horizont nur eine Wolke oder doch ein Nordlicht ist.
Hat der Betrachtende Glück, entwickelt sich nun in wenigen Minuten aus der vagen Ahnung ein kräftigeres Licht. Dieses sei „nicht nur wunderschön anzusehen, sondern auch nicht wirklich greifbar und schwer zu erklären“, schreibt Nordlichtfotograf Bernd Römmelt über das Naturphänomen. „Es macht den Eindruck, nicht von dieser Welt zu sein“, schwärmt er. Jedes Polarlicht sei ein Unikat, und jede Landschaft wirke „unter diesem besonderen Lichtphänomen“ anders, schreibt er in seinem Buch „Polarlichter – Sonnenzauber am Nachthimmel“.
Dem kann auch De Greef zustimmen und zitiert den finnischen Schamanen Jari Rossi: „Jeder, der sie sieht, fühlt sich klein. Und wenn Du sie gesehen hast, bist Du glücklicher als zuvor.“ Deshalb rät auch Nordlichtguide De Greef: den Fotoapparat mal beiseite legen und einfach nur genießen.