Unwort des Jahres lautet „Remigration“

„Remigration“ ist Unwort des Jahres. Sprachexperten wollen den Ausdruck als menschenverachtenden Kampfbegriff der Neuen Rechten enttarnen.
Unwort des Jahres lautet „Remigration“

–Symbolfoto: Monika Schröder /Pixabay

Der Begriff “Remigration” ist zum Unwort des Jahres 2023 gewählt worden. Rechte Parteien und Rechtsextreme würden den Ausdruck beschönigend für ihre Forderung nach Zwangsausweisungen und Deportationen missbrauchen, erläuterte die Unwort-Jury am Montag in Marburg. Remigration sei ein “rechter Kampfbegriff” und eine “beschönigende Tarnvokabel”.

Ziel der rechten und rechtsextremen Gruppen sei es, den aus der Sozialwissenschaft stammenden, ursprünglich wertneutralen Fachbegriff ideologisch zu vereinnahmen und umzudeuten. “Die Neue Rechte zielt mit dem Wortgebrauch darauf ab, kulturelle Hegemonie und ethnische Homogenität zu erlangen. Das, was mit der Verwendung des Wortes gefordert wird, verletzt freiheitliche und bürgerliche Grundrechte von Menschen mit Migrationsgeschichte”, sagte Jury-Sprecherin Constanze Spieß.Zuletzt war der Begriff in der politischen Debatte allgegenwärtig. Denn es war bekannt geworden, dass bei einem AfD-Treffen mit Rechtsextremen über Ideen und Forderungen der Remigration gesprochen wurde.

Unwort des Jahres 2022 war der Begriff “Klimaterroristen”. Auf die Plätze zwei und drei der Unwort-Liste 2023 wählte die Sprachjury die Begriffe Sozialklimbim und Heizungs-Stasi. Der Ausdruck Sozialklimbim sei im Zusammenhang mit der politischen Diskussion um Sozialleistungen und Kindergrundsicherung entstanden, erklärte die Jury. Das Wort versuche, Sozialleistungen, die ein Leben in Würde sichern könnten, als unnützes Beiwerk oder sinnloses Getue zu verunglimpfen. Es sei ein Begriff klassisch diskriminierender Rhetorik.

Die Bezeichnung Heizungs-Stasi werde für populistische Stimmungsmache gegen Klimaschutz gebraucht, kritisierten die Unwort-Experten. Zugleich verhöhne er die Opfer der DDR-Staatssicherheit.

Die Unwort-Wahl will auf unangemessenen, abwertenden oder verschleiernden Sprachgebrauch aufmerksam machen. Als Unwort kommen beispielsweise menschenverachtende Begriffe in Frage, aber auch Ausdrücke, die gesellschaftliche Gruppen abwerten. In der Jury sitzen zwei Sprachwissenschaftler, zwei Sprachwissenschaftlerinnen, eine Journalistin sowie ein jährlich wechselnder Gast – in diesem Jahr der CDU-Politiker Ruprecht Polenz.

Polenz warnte, Remigration komme als Begriff harmlos daher. AfD und Identitäre Bewegung verschleierten damit ihre wahren Absichten, nämlich die “Deportation aller Menschen mit vermeintlich falscher Hautfarbe oder Herkunft”. Polenz sagte, dass mit der Unwort-Wahl diese Täuschung nicht mehr so leicht gelingen werde.

Für die Unwort-Wahl 2023 reichten 2.300 Bürger und Bürgerinnen 710 verschiedene Vorschläge ein. Besonders häufig genannt wurden: Stolzmonat, Kriegstüchtigkeit und Sondervermögen.

Anfang Dezember hatte die Gesellschaft für deutsche Sprache bereits den Begriff “Krisenmodus” zum Wort des Jahres 2023 gewählt. Diese Jury verwies auf Klimawandel, die Kriege in Nahost und in der Ukraine, Inflation und Schuldenkrise. “Der Ausnahmezustand ist längst zum Dauerzustand geworden. Gefühle wie Unsicherheit, Ängste, Wut, Hilflosigkeit und Ohnmacht prägen den Alltag vieler Menschen”, erklärten die Sprachexperten zur Begründung ihrer Wahl.

Von Volker Hasenauer (KNA)