Kurienbeamte treten in der Öffentlichkeit selten in Erscheinung, sie arbeiten meist im Hintergrund. Doch jetzt ist ihr Chef krank. Schon drei von ihnen haben dem Papst ihre Stimme geliehen.
Vatikanstadt – Papst Franziskus hat abermals eine Grippe und deshalb Probleme mit dem Sprechen. Auf öffentliche Auftritte und Termine im Vatikan verzichtet der 87-Jährige trotzdem nicht. Seit Bekanntwerden der jüngsten Erkrankung am 24. Februar hat er rund 20 Mal Einzelpersonen und Gruppen empfangen – und das sind nur die Treffen, die der Vatikan offiziell bekannt gegeben hat. Unter den Besuchern war auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).
Hinzu kommen inoffizielle Termine, die Mittagsgebete auf dem Petersplatz und die Generalaudienzen, die Franziskus trotz Erkrankung absolviert. Bei mehreren dieser Gelegenheiten sprach er die vorbereiteten Texte aber nicht selbst. So auch am Mittwoch, als die Generalaudienz zum ersten Mal in diesem Jahr wieder draußen vor dem Petersdom stattfand.
Bei vorfrühlingshaften zwölf Grad sagte der Papst in einen weißen Mantel gehüllt entschuldigend: „Die Katechese von heute liest ein Monsignore vor, einer meiner Helfer, weil ich noch erkältet bin und nicht gut lesen kann.“ Daraufhin trat wenige Meter von Franziskus entfernt der Priester Pierluigi Giroli an ein Mikrofon und trug einen Text über die Todsünde des Hochmuts vor.
Der 54-Jährige mit der Glatze und der unauffälligen Brille blickte kaum einmal vom Blatt auf. Trotzdem konnte ihm sein Publikum gut folgen dank des ruhigen Tempos und der angenehmen Bass-Stimme, die an einen Märchenvorleser im Kinderradio erinnerte.
Der gebürtige Mailänder leitete früher die Kalvarienberg-Wallfahrtsstätte in Domodossola im Piemont. Im Internet findet sich ein Video von 2016, in dem er als Wallfahrtsrektor über ein Fest zu Ehren des Seligen Antonio Rosmini spricht. Sonst sind kaum Informationen über Giroli zu finden.
Auch die anderen „Stimmen des Papstes“ standen bislang nicht im Rampenlicht. Das änderte sich am 26. November. Damals hatte Franziskus eine Infektion an der Lunge und konnte – ähnlich wie derzeit – keine längeren Texte vortragen. Das sonntägliche Mittagsgebet wurde wegen der kühlen Temperaturen in die Kapelle des vatikanischen Gästehauses Santa Marta verlegt und live übertragen. An einem Tisch saßen Franziskus und Prälat Paolo Braida, Jahrgang 1959, direkt nebeneinander. Der Italiener schreibt häufig die Ansprachen für den Papst.
Das Kirchenoberhaupt stellte seinen Mitarbeiter zu Beginn augenzwinkernd mit den Worten vor: „Er kennt diese Gedanken gut, denn er hat sie geschrieben. Er macht das immer sehr gut.“ Dann überließ der Papst dem Prälaten das Wort.
Drei Tage später – zur Generalaudienz am Mittwoch – übernahm der jüngere und telegenere Kurienbeamte Filippo Ciampanelli die Aufgabe des Vorlesers. Der 45-Jährige gab mit zugleich fester und einfühlsamer Stimme und einem norditalienischen „R“, das eher aus der Kehle kommt, die Katechese des Papstes wieder. Wortgenau hielt sich der dunkelhaarige Monsignore in der schwarzen Soutane ans Manuskript – anders als es oft Franziskus‘ Art ist – und verlieh den Worten durch seine lebendige Intonation Nachdruck.
Bevor er 2015 ins Staatssekretariat wechselte, arbeitete Ciampanelli in den Vatikan-Botschaften in Georgien und Belarus. Die Leidenschaft für die Weltkirche könnte sein Onkel Francesco – ebenfalls ein Priester – geweckt haben. Als der 2022 gestorben war, erinnerte sein Neffe bei der Beerdigung an den lebensgefährlichen Einsatz des Pfarrers in Peru ab Ende der 80er Jahre.
In einem Brief habe der Onkel die dramatische Lage vor Ort geschildert. Die terroristische Guerillaorganisation „Leuchtender Pfad“ habe bereits den Bürgermeister und den Präfekten umgebracht. „Jetzt bleibt nur noch der Pfarrer übrig. Auf Wiedersehen im Paradies, falls wir uns vorher nicht mehr sehen“, zitierte Ciampanelli aus dem Brief.
Im Vatikan fing der Neffe in der Abteilung „Allgemeine Angelegenheiten“ an – als direkter Mitarbeiter von Kardinal Angelo Becciu (75). Der Sarde machte in den vergangenen Jahren als Hauptfigur in einem spektakulären Finanzprozess Schlagzeilen. Im Dezember verurteilte ihn das vatikanische Strafgericht zu fünfeinhalb Jahren Haft.
Wie Ciampanelli den Becciu-Prozess erlebte, ist nicht bekannt. Kurienbeamte bleiben für gewöhnlich im Hintergrund. Zumindest solange ihr Chef gesund ist.