Der libertäre argentinische Präsident Javier Milei polarisiert und ruft im In- und Ausland unterschiedlichste Reaktionen hervor.
Buenos Aires – Entweder wird er nach einem halben Jahr aus dem Amt gejagt oder er wird zum Retter Argentiniens, lautete eine der Prognosen zum Amtsantritt des radikal-marktliberalen Präsidenten Javier Milei am 10. Dezember. Sechs Monate später hat sich der erste Teil der Prophezeiung nicht erfüllt, ob es mit dem zweiten Teil klappt, ist ebenso fraglich. Sicher ist dagegen: Der libertäre Präsident polarisiert und ruft im In- und Ausland unterschiedlichste Reaktionen hervor. Die Wirtschaft und der Staatshaushalt unter Milei stabilisieren sich, dafür geht die Armutsrate weiter nach oben.
Auch innerhalb der katholischen Kirche und der Jüdischen Gemeinde sorgt Milei für Diskussionen. Der überwiegende Teil der argentinischen Juden setzt große Hoffnungen in Milei, weil er sich Israel eng verbunden fühlt. Seine erste offizielle Auslandsreise als Präsident führte ihn nach Israel. Mileis Affinität zum Judentum wird in seiner Heimat diskutiert.
Er selbst erklärte in einem Interview, er erwäge zwar die Möglichkeit, zum Judentum zu konvertieren, dies sei aber in dieser Zeit nicht möglich, weil die Einhaltung der Gebote mit seiner Tätigkeit als Präsident kollidieren würden. Als Beispiel nannte Milei die Einhaltung des Sabbats: “Das ist eine tiefgreifende und langfristige Angelegenheit”.
Zur katholischen Kirche ist das Verhältnis distanzierter. Ein Großteil der argentinischen Bischofskonferenz ging auf Distanz zu Milei, erinnerte ihn daran, dass das radikal-marktliberales Programm nicht nur die Wirtschaft, sondern auch den Menschen ins Zentrum der Politik setzen müsse. Niemand im Land sollte hungern, denn es sei ein Land, das mit Brot gesegnet ist, schrieben die Bischöfe mit Blick auf die weiter gestiegene Armutsrate. Inzwischen hätten Hunderttausende von Familien immer größere Schwierigkeiten, sich zu ernähren.
In dem Dokument mit dem Titel “Die Bitte um das tägliche Brot ist ein Schrei nach Gerechtigkeit” unterstrich das Episkopat, dass “es notwendig ist, vorausschauend zu handeln, damit diese Situation nicht zu einer Verschärfung der Nahrungsmittelkrise führt”, so dass “Einzelpersonen, Gemeinden und das Volk mit allem versorgt werden müssen, was notwendig ist, um den Schwächsten zu helfen, insbesondere Kindern, Jugendlichen und älteren Menschen”.
Auch die populären Armenpriester schalteten sich ein. Vorneweg der spanisch-stämmige Padre “Paco” Oliveira, der mit publikumswirksamen Aktionen für Schlagzeilen sorgt und eine große mediale Reichweite hat. Mal kündigt er an, bedürftigen Milei-Wähler bei der Armenspeisung keine Hilfe zukommen zu lassen, dann verbrennt er öffentlich ein Plakat des ex-peronistischen Präsidentschaftskandidaten Daniel Scioli, der nun mit Milei zusammenarbeitet. Das sei Verrat am peronistischen Volk, ließ Padre “Paco” wissen.
Auf der anderen Seite der politischen Emotionen steht Bischof Luis Urbana aus Catamarca. Der segnete eine Marienfigur, auf deren Umhang ein Bild zu sehen war, das Papst Franziskus und den argentinischen Präsidenten Javier Milei in herzlicher Umarmung zeigen. Das aufgestickte Bild stammt von einer Szene eines Besuches von Milei im Vatikan.
Der Präsident möge vor diesem Bild beten und daran denken, dass alle Argentinier eine Mutter haben, die Mutter des Himmels, und diese Mutter will, dass es ihren Kindern gut gehe hieß es in einer Erklärung der Diözese zu dem Bild. Der linksgerichtete Sender C5N nannte das Vorgehen des Bischofs einen Skandal, die linksgerichtete Ex-Gouverneurin Lucía Corpacci warf dem Bischof vor, die Politik mit der Schutzpatronin von Catamarca zu vermischen.
Während des Wahlkampfes hatte es eine Art Duell zwischen Franziskus und Milei gegeben. Ohne den späteren Wahlsieger beim Namen genannt zu haben, warnte der Papst vor Rattenfängern, Milei warf dem Papst eine zu große Nähe zu den lateinamerikanischen Links-Diktaturen vor. Bei einem Treffen im Februar im Vatikan war die Atmosphäre trotzdem herzlich. Dabei entstand das nun gesegnete Bild. Die Spannungen sind aber nach sechs Monaten geblieben – und das Warten darauf, ob Franziskus nun doch noch in sein Heimatland reist oder nicht. Der Gastgeber wäre dann Javier Milei.