Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) will mit einem neuen Modell des Wehrdienstes die Abschreckungsfähigkeit der Bundeswehr wiederherstellen.
Berlin – Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) will mit einem neuen Modell des Wehrdienstes die Abschreckungsfähigkeit der Bundeswehr wiederherstellen. Dazu wolle er schrittweise einen „Auswahlwehrdienst“ einführen, sagte der Minister am Mittwoch in Berlin. Angesicht des Interesses setze er zunächst auf einen freiwilligen Wehrdienst von sechs bis zu siebzehn Monaten.
Die Wehrpflicht oder ein Pflichtdienst sollen zunächst nicht wieder eingeführt werden. Der Wehrdienst werde aber wieder in Kraft gesetzt. Dazu solle eine Arbeitsgruppe bis zum Herbst einen Gesetzentwurf erarbeiten. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hatten die Wehrpflicht 2011 ausgesetzt und die Strukturen hierfür abgebaut.
Neue Bedrohungslage
Als Hintergrund nannte Pistorius eine veränderte Bedrohungslage durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Experten gingen davon aus, dass Russland ab 2029 in der Lage sein werde, einen Nato-Staat anzugreifen.
Pistorius will die rund 400.000 Männer im Alter von 18 Jahren dazu verpflichten, einen Online-Fragebogen zu Interessen und Qualifikationen ausfüllen. Auch Frauen sollen befragt werden, aber ohne Antwortpflicht. Eine Frauen-Wehrpflicht setze eine Grundgesetzänderung voraus; dazu aber sei die Zeit zu kurz, so Pistorius. Von den Befragten sollen rund 40.000 ausgewählt und gemustert werden. Er rechne dann mit einem Aufwuchs von rund 5.000 zusätzlichen freiwillig Wehrdienstleistenden pro Jahr. Ziel sei eine Zahl von rund 200.000 Reservisten. Dazu wolle er auch unter den früheren 835.000 Reservisten rund 100.000 für die Reserve anwerben.
„Reaktivierung der Wehrpflicht durch die Hintertür“
Pistorius plant einen Grundwehrdienst von sechs Monaten für Heimatschutzsoldaten. Wer zwölf bis siebzehn Monate dienen möchte, solle in die Strukturen der Bundeswehr eingebunden werden. Dabei solle der Dienst attraktiv und sinnstiftend sein und zusätzliche Qualifikationen ermöglich. Der Sold soll demnach derselbe sein wie für die derzeit Grundwehrdienstleistenden. Die Gesamtkosten bezifferte der SPD-Politiker auf 1,4 Milliarden Euro im Jahr.
Der Verteidigungspolitische Sprechers der Unionsfraktion, Florian Hahn (CSU), bewertete das Vorhaben als unzureichend. „Weder handelt es sich um eine Pflicht, noch wird die Wehr adäquat gestärkt“, sagte er der Funke-Mediengruppe. Die SPD-Vorsitzende trat ebenfalls in den Zeitungen der Funke-Mediengruppe für die Beibehaltung der Freiwilligkeit ein. Selbstbestimmung sei entscheidend für die Akzeptanz der Demokratie, so Esken. Auch der FDP-Politiker Marcus Faber wollte zunächst auf Freiwilligkeit setzen, wie er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland sagte.
Die „Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen“ (DFG-VK) kündigte Widerstand gegen die Pläne an. Dies sei eine „Reaktivierung der Wehrpflicht durch die Hintertür“, sagte deren Sprecher Ralf Buchterkirchen.