Lebendige Vielfalt

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Weihbischof Ludger Schepers, Bischofsvikar für Weltkirche, Mission, Orden, Geistliche Gemeinschaften (Foto: Bistum Essen)

Vor zwei Wochen haben wir in unserem Bistum zum vierten Mal den Tag der Ordensjubiläen gefeiert. Neun Ordensfrauen und zwei Ordensmänner aus acht verschiedenen Gemeinschaften und vier Nationen haben miteinander ihre Jubiläen gefeiert: 60, 50 oder 25 Jahre. Zusammen konnten sie dankbar auf 500 Jahre gelebtes Ja zum Ruf Gottes zurückblicken.

Die Jubilarinnen und Jubilare haben einander und ihren Gästen von ihrer je eigenen Berufung und ihrem Weg in der Gemeinschaft erzählt. Wir durften wahrnehmen: Es ist derselbe Ruf Gottes, der an die Einzelnen ergeht. Und doch ist jede Berufung, ist jede Geschichte anders. Geprägt von der Gemeinschaft und der ganz individuellen Persönlichkeit derer, die Antwort geben auf den Ruf Gottes. Dass sie einander davon in großer Offenheit erzählen konnten, haben wir als Geschenk erlebt. „Vor 50 Jahren – bei meinem Ordenseintritt – wäre das nicht möglich gewesen.

Da haben wir uns abgeschottet. Jede Gemeinschaft lebte für sich. Ich bin dankbar für das neue Miteinander unter uns Ordensleuten.“ Eine Jubilarin sprach für viele. Wenn Kirche im Bistum Essen sich im Zukunftsbild als „vielfältig“ beschreibt, dann war der Jubiläen-Tag dafür ein lebendiges Beispiel: die Vielfalt der Berufungen in der Verschiedenheit der Gemeinschaften, die sich gegenseitig ergänzen und bereichern – und die Konsequenz des einen Rufes Gottes sind. Die Vielfalt und Verschiedenheit in der einen Berufung finde ich auch in den Texten wieder, die wir an Pfingsten im Gottesdienst lesen.

Da ist von Menschen die Rede, die „aus allen Völkern unter dem Himmel“ in Jerusalem wohnten (Apg 2,5-11). Ein richtiges Multikulti-Volk war da zusammen – eine Zungenbrecher-Lesung für alle Lektorinnen und Lektoren. Männer und Frauen aus vielen verschiedenen Ländern sind geeint in der einen „Wahrnehmung“ der Reden der Jüngerinnen und Junger Jesu, die vom Geist Gottes erfasst und erfüllt worden waren. Eine wunderbare Vielfalt – der Menschen und der Predigten. Kirche ist seit ihrem Ursprung vielfältig. Bunt.

Auch Paulus gibt uns in seinem Brief an die Gemeinde in Korinth ein Zeugnis der Vielfalt: „Es gibt verschiedene Gnadengaben, aber nur den einen Geist. Es gibt verschiedene Dienste, aber nur den einen Herrn. Es gibt verschiedene Kräfte, die wirken, aber nur den einen Gott. „Denn wie der Leib eine Einheit ist, doch viele Glieder hat, alle Glieder des Leibes aber, obgleich es viele sind, einen einzigen Leib bilden: so ist es auch mit Christus.“ (1 Kor 12,4-12) Gott sei Dank, dass es diese Vielfalt der Gnadengaben und der Dienste gibt. Damals und heute. Wir brauchen in unseren Gemeinden und Pfarreien die Vielfalt der Berufungen und der Dienste. Sie berührt mich immer wieder neu bei meinen Besuchen in den Pfarreien – bei Firmungen, Visitationen oder anderen Anlässen. Da gibt es die vielen Frauen, Männer, Jugendlichen und Kinder in den liturgischen Diensten, in den sozialen und caritativen Diensten, Menschen, die laufen und tragen, anpacken und aufräumen. Wie bei den Ordensleuten: Jede Berufung ist anders. Gott sei Dank. Im Blick auf die Lesung aus der Apostelgeschichte rührt mich eine Vielfalt immer neu an: Es ist unsere Andersartigkeit gegenüber dem, was „andere“ von uns denken.

„Andere aber spotteten: Sie sind vom  süßen Wein betrunken.“ (Apg 2,13) Manchmal sind wir „anders“ als „andere“, und wir werden verspottet wie die Männer und Frauen am Anfang der Kirche. Dass wir nicht allein angefragt und verlacht werden, sondern in der Gemeinschaft Gleichgesinnter sind, lässt Vielfalt lebbar sein. Und noch ein Zeichen der Vielfalt: An diesem Wochenende dürfen wir in unserem Bistum den Abschluss der bundesweiten Solidaritätsaktion „Renovabis“ begehen. Im Mittelpunkt der Aktion für Mittel- und Osteuropa steht der Appell zu einer umfassenderen, grenzüberschreitenden Solidarität zwischen West und Ost sowie zur Überwindung von Fremdheit und Vorurteilen in Europa. Wir üben lebendige Vielfalt.
Gott sei Dank.