Jesuit Mertes wirft Kardinal Müller „klerikale Dünkel“ vor 

Jesuitenpater Klaus Mertes hat Kardinal Gerhard Ludwig Müller ungewöhnlich scharf kritisiert und ihm „klerikale Dünkel“ vorgeworfen.

Viele Mitarbeiter leisteten seit Jahren Kärrnerarbeit und seien bereit, für die Kirche die Kohlen aus dem Feuer zu holen, sagte Mertes am Freitag in Bonn. Doch die Bereitschaft dazu komme mittlerweile an ihr Ende. Wer dann „absurde Interviews“ eines Nuntius oder Kardinals lesen müsse, „den packen eben irgendwann auch Trauer und Zorn“, fügte der Jesuit bei der Vollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken hinzu.

Im Interview mit dem Portal katholisch.de kritisierte Mertes Aussagen Müllers zur Kirchenkrise als „zum Dogma geronnene klerikale Dünkel“. Dieser Dünkel sei ein Schlüssel zum Gesamtproblem Missbrauch. Auch die Aussage des früheren Chefs der römischen Glaubensbehörde, dass die Kirche wegen der Missbrauchsfälle ihr Nein zur praktizierten Homosexualität bekräftigen müsse, bemängelte der Jesuit.

„Unglaublich dreist“

Es gebe eine Fraktion, die Homosexuellen die Schuld an der Krise geben wolle, so Mertes. Die Aussagen Müllers seien „unglaublich dreist“ und „abgründig falsch“. Mertes ist Direktor des Jesuitengymnasiums Sankt Blasien im Schwarzwald. Als damaliger Leiter des Berliner Canisius-Kollegs machte er 2010 Fälle von Missbrauch an der Schule öffentlich und setzte damit die Debatte in Gang.

Müller hatte am Mittwoch im Interview der kanadischen Internetseite LifeSite-News gesagt, Bischöfe, die Missbrauch vertuscht hätten, könnten innerkirchlich nicht durch Laien gerichtet werden. Wenn ein Bischof seiner Verantwortung nicht gerecht werde, könne er kirchlich nur vom Papst zur Rechenschaft gezogen werden.

Im Hinblick auf die Missbrauchsfälle müsse sich die Kirche mit der praktizierten Homosexualität in den Reihen des Klerus befassen, betonte der Kardinal. Die Sexualmoral der Kirche dürfe durch die weltliche Akzeptanz von Homosexualität nicht relativiert werden.

Es sei Teil der Krise, „dass man die wahren Ursachen nicht sehen will und sie mit Propagandasätzen der Homo-Lobby vertuscht“. Grundsätzlich hält Müller demnach einen zunehmenden Atheismus in der Kirche für den Ursprung der Krise. Dafür sei die „LGBT-Ideologie“ ein Beispiel, die innerhalb der Kirche immer mehr Unterstützer gewinne.

Für den Kardinal zeigt auch der Fall Ansgar Wucherpfennig ein Eindringen des Atheismus in die Kirche. Der Neutestamentler wurde kürzlich vom Vatikan als Rektor der Jesuitenhochschule St. Georgen in Frankfurt bestätigt. Zuvor hatte die römische Unbedenklichkeitserklärung „Nihil obstat“ auf sich warten lassen, offenbar weil sich Wucherpfennig positiv zur Segnung gleichgeschlechtlicher Paare geäußert hatte.

Der Fall zeige, wie die „klare Expertise“ der Glaubenskongregation verdrängt werde, sagte Müller. „Wenn dieser Priester den Segen homosexueller Beziehungen als das Ergebnis einer Weiterentwicklung der Lehre bezeichnet, an der er weiterhin arbeitet, bedeutet dies nichts anderes als die Anwesenheit des Atheismus im Christentum“, so der Kardinal.

KNA