Bundesarbeitsgericht setzt kirchlichem Arbeitgeber Grenzen

Ein wegen seiner zweiten Heirat gekündigter Chefarzt eines katholischen Krankenhauses kann weiter seiner Arbeitnachgehen. Das Bundesarbeitsgericht erklärte seine Kündigung für unwirksam.

 

Das Bundesarbeitsgericht hat den Freiraum der Kirchen als Arbeitgeber erneut eingeschränkt. Es entschied am Mittwoch in Erfurt, dass die Kündigung des Chefarztes eines Düsseldorfer katholischen Krankenhauses wegen seiner zweiten standesamtlichen Heirat nicht rechtens war. Das Urteil hat Konsequenzen weit über den Einzelfall hinaus. Die beiden Kirchen mit ihren Wohlfahrtsverbänden sind mit mehr als einer Million Beschäftigten der größte private Arbeitgeber in Deutschland.

Seit zehn Jahren wandert der Streit um die Kündigung des Leitenden Mitarbeiters des Düsseldorfer St.-Vinzenz-Krankenhauses durch die Gerichtsinstanzen; auch das Bundesverfassungsgericht und der Europäische Gerichtshof haben sich schon damit befasst. Vor dem Bundesarbeitsgericht landete das Verfahren bereits zum dritten Mal.

Der Rechtsstreit hängt mit dem Sonderstatus der Kirchen beim Arbeitsrecht zusammen. Das Grundgesetz hat den Kirchen 1949 zugestanden, ihre Angelegenheiten weithin selbst zu regeln. Das soll auch die Glaubwürdigkeit der kirchlichen Verkündigung sichern. Entstanden ist in der katholischen Kirche ein Arbeitsrecht, das strenge Anforderung auch an das Privatleben der Mitarbeiter stellt. Danach kann gekündigt werden, wer sich entgegen der kirchlichen Lehre von der Unauflöslichkeit der Ehe scheiden lässt und standesamtlich erneut heiratet.

So auch im konkreten Fall des Chefarztes, der 2009 nach seiner zweiten Eheschließung die Kündigung erhielt. Der Mediziner zog vor Gericht und bekam Recht. Alle Instanzen bis hin zum Bundesarbeitsgericht entschieden aus unterschiedlichen Gründen, dass die Kündigung unwirksam sei.

Die Erfurter Richter argumentierten beispielsweise bei der ersten Befassung im Jahr 2011, dass die Kirchen von ihren Beschäftigten zwar grundsätzlich ein loyales Verhalten verlangen könnten. Die Düsseldorfer Klinik habe aber bei protestantischen Kräften nach einer zweiten Heirat nicht zum Mittel der Kündigung gegriffen. Damit sei der Gleichheitsgrundsatz verletzt.

Damit wollte sich der kirchliche Arbeitgeber nicht abfinden und zog vor das Bundesverfassungsgericht. Das kassierte das Erfurter Urteil und stärkte das kirchliche Arbeitsrecht: Staatliche Gerichte dürften sich nicht in die Kompetenz des kirchlichen Gesetzgebers einmischen und definieren, wie weit die Loyalitätsforderungen gehen, so die Richter im November 2014. Allerdings müsse die Begründung der Kirchen juristisch überprüfbar sein.

Als der Fall erneut vor dem Bundesarbeitsgericht landete, schalteten die Erfurter Richter den Europäischen Gerichtshof ein. Schließlich ist das weitreichende kirchliche Selbstbestimmungsrecht in Europa einmalig. Andere Rechtsgüter wie die europäische Antidiskriminierungsrichtlinie stehen in Spannung dazu.

Die Luxemburger Richter kamen im September zu dem Schluss, dass die Einhaltung des katholischen Eheverständnisses offenbar nicht unbedingt zu den beruflichen Anforderungen des Chefarztes in dem katholischen Krankenhaus gehöre. Schließlich seien ähnliche Stellen auch Ärzten anvertraut worden, „die nicht katholischer Konfession sind“. Das bestätigte nun auch das Bundesarbeitsgericht. Und betonte noch einmal, dass es nicht wesentlich zum Berufsbild eines Chefarztes gehöre, dem kirchlichen Verständnis von der Unauflöslichkeit der Ehe zu folgen.

Der Bonner Rechtswissenschaftler Gregor Thüsing, der das Verfahren für das Erzbistum Köln juristisch begleitet, erklärte in einer ersten Reaktion, grundsätzlich gehe es um den Freiraum, den die Kirchen nach Europarecht bei der Gestaltung ihres Selbstbestimmungsrechts hätten. Mit der BAG-Entscheidung sei dies „ein Stück weit klarer geworden“. Thüsing hob hervor, auch innerhalb der Kirchen werde diskutiert, welche Anforderungen an die Mitarbeiter zu stellen seien, um eine Identifikation mit dem „besonderen Sendungsauftrag der Kirchen“ zu gewährleisten.

Der Pressesprecher des Erzbistum Köln, Christoph Heckeley, betonte, dass die Kirche heute eine solche Kündigung wohl nicht mehr aussprechen würde. Denn 2015 hatten die katholischen Bistümer ihr Arbeitsrecht liberalisiert. Die strengen Loyalitätsanforderungen gelten nur noch für verkündigungsnahe Berufe.

Von Christoph Arens (KNA)