Der Münsteraner Dogmatiker Michael Seewald hat die deutschen Bischöfe mit Blick auf den geplanten “synodalen Weg” dazu aufgerufen, “dauerhaft auf einen Teil ihrer Macht” zu verzichten. Wenn sie sich nicht “kontrollieren lassen und Laien stärker beteiligen”, steige das Risiko, dass bald der nächste Skandal ins Haus stehe, schreibt Seewald in einem Gastbeitrag für die “Süddeutsche Zeitung” (Freitag). Theologisch sei die Zurücknahme bischöflicher Macht möglich. “Denn Hand in Hand mit ihr würde eine stärkere Beteiligung getaufter Frauen und Männer gehen – ein Anliegen des Konzils.”
Bei ihrer Frühjahrsvollversammlung in Lingen hatten die katholischen Bischöfe als Konsequenz aus den Missbrauchsfällen einen “verbindlichen synodalen Weg” zur Erneuerung und zu Veränderungen der Kirche beschlossen.Alle Macht in einer Diözese gehe zumindest theoretisch aktuell vom Bischof aus, so Seewald. Faktisch sei die Leitung eines Bistums aber komplex. Einerseits werde die Entscheidungsmacht stark auf den Bischof hin personalisiert. Andererseits werde sie, “vor allem wo Versäumnisse öffentlich werden, anonymisiert, so dass der Bischof keine Verantwortung mehr für das zu übernehmen braucht”.
„Bischöfe vor einer Grundsatzentscheidung“
Der Theologe erklärte: “Will der synodale Weg aus Problemen lernen, stehen die Bischöfe vor einer Grundsatzentscheidung.” Entweder würden Strukturen geschaffen, in denen Macht so verteilt werde, dass sie überschaubar bleibe und Entscheidungsträger Rechenschaft über ihr Tun ablegen müssten. “Oder aber alles bleibt wie bisher.” Dann müssten die Bischöfe aber auch “mit berechtigten Rücktrittsforderungen rechnen, falls in ihren Diözesen schwere Fehler passieren, auch wenn sie persönlich keine Kenntnis davon hatten”.
Seewald sieht die Bischöfe “immer noch am Gängelband der Römischen Kurie, welche die Autorität des Papstes für sich beansprucht”. Der “synodale Weg” könne nur gelingen, “wenn die Bischöfe auf Tabuisierungen jeder Art verzichten und die außer Rand und Band geratene Kurie in die Schranken weisen”. Möglicherweise komme ihnen die von Papst Franziskus geplante Neuordnung der Kurie entgegen.
„Nichts für ,Schwächlinge‘“
Machtverzicht sei nichts für “Schwächlinge”, sondern verlange Mut. Es komme nun darauf an, dass die Bischöfe auf universalkirchlicher Ebene auch deutlich machten, was ortskirchlich nicht mehr akzeptabel sei. “Nur, wenn die Bischöfe diese Kraft aufbringen, hat der synodale Weg eine Chance”, so der Dogmatiker.