Frauen stellen Machtstrukturen in Frage

Sie fordern eine Reform der Kirche, wünschen die Gleichstellung von Mann und Frau und prangern die Missbrauchsskandale an – eine kleine Initiative findet deutschlandweit Mitstreiterinnen beim „Kirchenstreik“.

An diesem Wochenende und bis zum nächsten Samstag könnte es in den katholischen Kirchen Deutschlands ziemlich leer werden – dann nämlich, wenn möglichst viele Frauen sich am Kirchenstreik beteiligen. Die von Münster ausgehende Initiative „Maria 2.0.“ hat dazu aufgerufen und bundesweit 50 Orte verzeichnet, die sich daran beteiligen wollen. Auch im Bistum Essen wird gestreikt, zum Beispiel in Bochum, Essen, Gladbeck und Oberhausen. Der Streik, der die Gottesdienste und die ehrenamtlichen Tätigkeiten umfasst, fällt in eine Zeit, in der wieder lauter, aber auch fordernder als seit langem für die Gleichberechtigung der Frauen in der Katholischen Kirche gestritten wird.

(Foto: Tim Mossholder)

Nicht nur durch den Missbrauchsskandal und den Priestermangel wittern Frauen – und entsprechend offene Männer – Morgenluft für das Ziel, Frauen den Zugang zu Weiheämtern zu ermöglichen. Dabei geht es nicht nur um das Amt der Diakonin, sondern auch um das Amt der Priesterin – und in der Folge ließe sich anschließen: der Bischöfin, der Kardinälin, der Päpstin.

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En passant, sozusagen im Vorüberfliegen, hat Papst Franziskus – wie es manchmal zu wichtigen Themen seine Art ist – nun einen neuen Beitrag zur Diskussion geleistet. Der kommt gerade rechtzeitig für die deutschen Frauen und ihre Initiative, die einen Offenen Brief an den Papst einschließt. Auf dem Rückflug von seinem Besuch auf dem Balkan erteilte der Papst vor den mitreisenden Journalisten zunächst allen Erwartungen, es könne bald katholische Diakoninnen geben eine Absage. Die Kommission, die mit der historischen Untersuchung des Diakonats der Frau befasst gewesen sei, sei zu keinen gemeinsamen Schlussfolgerungen gekommen. Weitere Untersuchungen und Überlegungen sollen folgen. Das war nicht neu.

Dann jedoch warf Franziskus ein Thema auf, das aufhorchen lässt: Für ihn persönlich sei es interessant, dass früher Theologen behauptet hätten, es habe keine Diakoninnen gegeben, weil Frauen in der Gesellschaft als zweitrangig gegolten hätten. Kurioserweise habe es aber in genau der Zeit in anderen Religionen eine große Zahl von Priesterinnen gegeben. „Ein weibliches Priesteramt im heidnischen Kult war zu jener Zeit normal. Warum gab es diese Entwicklung nicht in der Kirche?“, so der Papst. Diese Frage untersuche man ebenfalls.

Nun sind Katholikinnen und Katholiken es gewöhnt, dass es mit Entwicklungen und Entscheidungen in ihrer Kirche in der Regel ziemlich lange dauert. Fakt ist jedoch, dass immer mehr Frauen und Männer immer ungeduldiger werden mit dieser Kirche, der viele Mitglieder weglaufen und die für viele Menschen von vornherein schon keine Rolle mehr spielt in ihrem Leben. Der Druck auf die Kirche nimmt aus vielerlei Gründen zu – und das nicht nur im Westen.

Hoffen auf die Synode

Unterstützung bekommen die Frauen beziehungsweise engagierten Christen auch von amtskirchlicher Seite. Der stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Franz-Josef Bode, sprach sich in einem Interview mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ nicht nur für eine Diskssion über Priester mit Zivilberuf und Familie aus – also ohne Pflichtzölibat. Er plädierte auch für das Weiheamt der Diakonin: „Das wäre auch eine Anerkennung, Wertschätzung und Statusveränderung von Frauen in der Kirche, die heute in sehr großer Zahl karitativ und diakonisch tätig sind“, so der Bischof. Jüngst hatte auch der Essener Weihbischof Ludger Schepers ausdrücklich von „personae probatae“ – bewährten, also geeigneten Personen für Weiheämter – gesprochen. Damit schließt er sich Forderungen an, die unter anderem der Theologe Paul Zulehner in Vorbereitung auf die Amazonassynode im Oktober erhebt. Von der Synode erhoffen sich viele als Ergebnis die Zulassung neuer und ungewohnter Wege und Ämter – wenn auch zunächst vielleicht nur am Amazonas.

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Ob die Frauen in anderen Teilen der Welt noch so lange warten wollen? Sie wissen, dass viele seelsorgliche, karitative, katechetische und diakonische Dienste schon heute von ihnen abhängen. Das wollen sie die Gemeinden jetzt mit ihrem Streik spüren lassen. Ihre Kernforderung ist klar: „Zugang von Frauen zu allen Ämtern“.

Im Bistum Essen rufen in der Woche vom 11. bis 19. Mai zahlreiche Gemeinden zum Kirchenstreik auf. Damit schließen sie sich der Aktion „Maria 2.0“ aus dem Bistum Münster an, mit der Frauen eine vollständige Aufklärung des Missbrauchsskandals fordern. In Essen-Burgaltendorf hat die Herz-Jesu-Gemeinde unter dem Hashtag „Nicht mit uns“ zudem eine Intiative gegründet, die eine generelle Erneuerung der Katholischen Kirche fordert. Am Sonntag, 12. Mai, laden die Verantwortlichen parallel zum 10-Uhr-Gottesdienst zu Mitmachaktionen vor der Kirchentür ein.

Weitere Gemeinden im Umfeld machen mit: ebenfalls am 12.Mai, 10 Uhr in St. Barbara, Byfang, am 18. Mai, 17 Uhr im Marienheim, Überruhr, und am 19. Mai, 11.30 Uhr in St. Suitbert, Überruhr. In der Wattenscheider Pfarrei St. Gertrud legen Frauen rund um das Kolumbarium ihren Dienst nieder. Mit Bannern und einem Gottesdienst am Donnerstag, 16. Mai, 19 Uhr, wollen sie unter anderem auf ihr An­liegen aufmerksam ma­chen. Auch in der Oberhausener Pfarrei St. Clemens, Sterkrade, beteiligen sich Frauen an der Aktion Maria 2.0.

An den beiden Samstagen (11. und 18. Mai) um 12.10 Uhr werden sie einen Gottesdienst vor der St.-Clemens-Kirche feiern. Auf Stellwänden und an der Kirchentür wollen sie Infor­mationen zu der Aktion und ihren Anliegen an­bringen und mit Menschen ins Gespräch kommen. Eine weitere Aktion ist ein Gesprächsabend am Freitag, 17. Mai, um 19.30 Uhr vor der Clemenskirche.

In der Gladbecker Propsteipfarrei St. Lamberti feiert eine Gruppe von Frauen am Sonntag, 12. Mai, um 11 Uhr vor der St.-Lamberti-Kirche eine Andacht, zu der alle Frauen und auch die Männer der Pfarrei eingeladen sind. Eine ähnliche Protest-Andacht ist geplant für den 18. Mai (17.30 Uhr) vor Herz Jesu.

Die kfd hat zuvor bereits einen anderen Weg des Protests eingeschlagen. Sie hat mit der Aktion „MachtLichtAn“ ein erstes wirksames Zeichen gesetzt. 30000 unterschriebene Postkarten wurden den Bischöfen in Lingen mit ihren Forderungen übergeben: eine Aufarbeitung des Missbrauchs, ein anderer Umgang mit den Machtstrukturen in der Kirche, eine Erneuerung der Sexualmoral und ein neues Priesterbild. „Die Zeiten, dass ,man‘ uns den Mund verbieten konnte, gehören der Vergangenheit am“, sagt Christel Misz, Diözesanvorsitzendenteam der kfd im Bistum Essen.

In der kfd-Aktionswoche im September werden wir alle Gruppen und Gemeinschaften aufrufen, ihren Ortsbischof aufzufordern, sich für eine Erneuerung der Kirche einzusetzen. Wir bieten den Dialog auf Augenhöhe und unsere Mitarbeit dort an, wo echte Veränderungen angestrebt und umgesetzt werden. Noch haben wir die Hoffnung, dass es zu einer ernsthaften Erneuerung der Kirche kommen kann. „Wir müssen unseren Mund auftun, öffentlich, laut, selbstbewusst, ohne uns von Amtsträgern, die das immer noch versuchen, beeindrucken zu lassen. Wir wollen eine Kirche, in der Frauen und Männer, Laien und Priester gemeinsam und gleichberechtigt den Glauben verkünden“, so Misz.