„Frauenweihe und Zölibat auf Ebene der Weltkirche entscheiden“

Bischof Franz Jung im Interview über sein erstes Jahr in Würzburg

Seit einem Jahr ist der Würzburger Bischof Franz Jung (53) im Amt. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) sprach mit ihm über seine ersten zwölf Monate am Main.

(Foto: Pressestelle Bistum Speyer)

Herr Bischof, Missbrauchsskandal, knappe Kassen, Reformen bei der Gemeindestruktur. Bereuen Sie schon, ja gesagt zu haben?

Jung (lacht): Nein, nein. Ich war zehn Jahre Generalvikar, da ist man Kummer gewohnt und kennt die Herausforderungen, vor denen die Bistümer heute stehen. Ich glaube, ich habe den Übergang zum Bischof ganz gut hinbekommen.

Wenige Monate nach Ihrer Weihe wurde die Missbrauchsstudie der Deutschen Bischofskonferenz veröffentlicht. Manche finden, es geht nicht so wirklich voran mit Aufklärung und Aufarbeitung.

Jung: Das täuscht. Ich kann jetzt nur für unser Bistum sprechen. Ich habe mich noch im Dezember öffentlich einer Diskussion gestellt. Da in die Missbrauchsstudie aus Würzburg nur die Personalakten von 2000 bis 2015 sowie die des Geheimarchivs einflossen, habe ich alle Akten von 1946 bis 1999 von externen Juristen prüfen lassen. Das Ergebnis haben wir kürzlich veröffentlicht. Wir durchforsten derzeit noch die Akten der Knabeninternate. Das gehört zur Phase der Aufklärung.

Und die Aufarbeitung?

Jung: Ich suche das Gespräch mit den Betroffenen. Ich will von ihnen hören, wie sie die Institution Kirche erlebt haben und was sie uns mitgeben für Veränderungen, um Missbrauch wirksam zu verhindern.

Wie sieht es auf Ebene der Bischofskonferenz aus?

Wir arbeiten derzeit an Standards für die Aktenführung. Weiter soll ein eigenes Institut, das Bischof Stephan Ackermann ins Leben gerufen hat, sicherstellen, dass die Präventionsmaßnahmen der Bistümer auf dem gleichen Stand sind. Sehr wichtig ist auch der Vertrag mit dem Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig. Dabei geht es um Standards dafür, was Aufarbeitung bedeutet. Die Bischöfe machen damit deutlich: Wir wollen das nicht alleine machen, sondern in Abstimmung mit den staatlichen Stellen. Es hat sich wirklich viel seit der Studie getan. Leider kommt das in der Öffentlichkeit nicht richtig an und wird daher auch nicht immer wertgeschätzt.

Stichwort Maria 2.0. Sie haben sich mit protestierenden Frauen in Würzburg getroffen. Warum?

Jung: Eine junge Frau fragte mich: Ist man nicht mehr katholisch, wenn man die Frage nach dem Weiheamt stellt? Ich wollte ihr das Signal geben, dass man diese Frage stellen und trotzdem katholisch sein kann. Ich nehme wahr: Viele Menschen geben sich mit der Antwort “Das ist irgendwann mal entschieden worden und wir reden nie mehr darüber” nicht mehr zufrieden. Mir ist allerdings wichtig, die Einheit in der Kirche zu wahren. Das heißt, keinen Schnellschuss zu machen, der zu einer Spaltung führt, auch wenn ich merke, dass die Ungeduld wächst.

Sie sagten auch, der beschlossene “synodale Weg” werde dieses Thema aufgreifen. Doch wie verbindlich kann der Weg sein, wenn Mitbrüder überhaupt nichts vom Beschluss der Bischofskonferenz halten?

Jung: Es gibt noch keine präzise Beschreibung, wie dieser Weg aussehen wird. Klar ist aber, dass die großen Fragen wie Weihe von Frauen und Zölibat auf Ebene der Weltkirche entschieden werden müssen. Einen wie auch immer gearteten deutschen Sonderweg kann ich mir nicht vorstellen. Hier wird der “synodale Weg” wohl nur theologische Vorarbeiten leisten. Ich weiß auch nicht, ob es redlich wäre, den Diakonat der Frau nur als ersten Schritt zu sehen. Muss man dann nicht eher die Grundsatzfrage klären: Frau und Amt, ja oder nein?

Was würden Sie sich denn für den “synodalen Weg” wünschen?

Jung: Ich spüre eine große Unruhe und viel Verunsicherung, ausgelöst durch den Missbrauchsskandal. Da braucht es eine Verständigung auf den richtigen gemeinsamen Weg in die Zukunft. Vielleicht hilft unser Jahresmotto im Bistum aus dem Zweiten Timotheusbrief: “Denn Gott hat uns nicht einen Geist der Verzagtheit gegeben, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit”. Kraft, das heißt beherzt die Dinge anzugehen. Liebe bedeutet, im Gespräch miteinander bleiben, ohne es zum Bruch kommen zu lassen. Und Besonnenheit meint, sich darauf zu besinnen, worum es wirklich geht: Das sind meines Erachtens letztlich nicht die Fragen nach dem Frauenpriestertum und dem Zölibat, das ist die Gottesfrage.

In Ihrem Bistum haben Sie nun einen Sparkurs ausgerufen.

Jung: Ich habe zunächst die Ausgaben auf Vorjahresniveau eingefroren. Jetzt müssen wir schauen, wie wir den Haushalt konsolidieren und wo wir sparen können.

Haben Sie einen Sanierungsfall geerbt?

Jung: Natürlich, bei einem Jahresfehlbetrag von 15 bis 17 Millionen Euro. Doch die Frage der Konsolidierung der Bistumsfinanzen betrifft derzeit alle Bistümer. Die Entwicklung der Kirchensteuereinnahmen wird uns dazu zwingen.

Ein weiteres Erbstück ist die Reform der Pfarreien. Sie sind im ersten Jahr viel durchs Bistum gereist – was haben Sie dabei gelernt?

Jung: Ich reise immer noch viel. Ich habe Pfarreiengemeinschaften kennengelernt, die sehr gut zusammenarbeiten, und andere, die dies noch nicht so tun. Hier gibt es eine große Ungleichzeitigkeit. Man hat von Bistumsseite in den vergangenen Jahren den Prozess nicht immer kontinuierlich begleitet. Die Menschen wissen aber, dass Veränderungen auf sie zukommen. Ich spüre bei meinen Besuchen oft eine große Ungeduld, nach der Sedisvakanz die Dinge sofort zu entscheiden.

Wird es so kommen?

Jung: Ich packe Dinge gerne an und treibe sie auch konsequent voran. Aber ein bisschen Zeit brauche auch ich noch, um einen strukturierten und transparenten Weg zusammen mit den Gläubigen und den Gremien zu gehen. Bis Ende 2020 will ich mit den zuständigen Gremien entscheiden, wie die ungefähr 40 Territorien für die Zusammenarbeit aussehen. Danach müssen wir uns Zeit nehmen, über die Ausgestaltung dieser Einheiten nachzudenken.

Welche Vision haben Sie dafür?

Jung: Unsere Diözese Würzburg ist ein stark ländlich geprägtes Bistum mit vielen kleinen und kleinsten Pfarreien und ich frage mich: Wie können dieses Engagement und die Verwurzelung in einem größeren Rahmen bewahrt werden? Muss das wirklich eine neue große Pfarrei sein? Ich stelle mir bisher eher verbindliche Kooperationen vor, innerhalb derer Schwerpunkte gebildet werden.

Wie erleben Sie Ihre neue Umgebung?

Jung: Die Franken sind ein offener, lebensfroher Menschenschlag, so wie wir Pfälzer – das hängt vielleicht mit dem Wein zusammen. Wesentlich umgänglicher jedenfalls, als man den Franken gemeinhin nachsagt und sie von sich selbst sagen.

Von Christian Wölfel (KNA)