Vor 225 Jahren wurde der Grundstein für die Kirche St. Johann Baptist gelegt.
Im idyllischen Blankenstein an der Ruhr, gegenüber von Bochum-Stiepel, liegt St. Johannes Baptist. Die schmucke Kirche hat eine lange Geschichte. Mit ihrem Bau wurde 1794 begonnen. Seither sind 225 Jahre vergangen. Einer, der die Kirche am Marktplatz seit Kindesbeinen kennt, ist Egon Stratmann (82). Der Hattinger Künstler ist im Ort aufgewachsen. Die ganze Familie hatte eine enge Bindung zu St. Johannes Baptist.

Innenansicht der Kirche St. Johann Baptist in Blankenstein (Foto: Asgard Dierichs)
Blankenstein beruht auf der Gründung der gleichnamigen Burg durch Graf Adolf I. von der Mark im Jahre 1227. Der Ort erblühte und war 1554 sogar Mitglied der Hanse. Um 1765 entstand die evangelische Kirche, die Katholiken bauten ihre von 1794 bis 1801 auf dem Marktplatz, umgeben von Fachwerkhäusern im bergischen Stil. Vorher hatte dort das Rathaus gestanden.
Wo früher Bergbau, Eisenverarbeitung und Textilindustrie für Arbeit sorgten, erinnert bis heute eine prächtig ausgestattete Kirche an die Geschichte der Region. Familien wie die Tuchweber Gethmann sind eng mit Blankenstein verbunden. Sie waren ab dem 18. Jahrhundert ein wichtiger Arbeitgeber.
Kommerzienrat Carl Friedrich Gethmann ließ in einer Werft an der Ruhr spezielle Schiffe bauen, mit denen auch Kohle transportiert wurde. 1806 legte er den Gethmannschen Garten an, der bis heute besteht und der für die Bürger errichtet wurde, einmalig in seiner Zeit. Auch als Mäzen der katholischen Kirche taucht er in der Ortschronik auf. Lange hatte die Familie eine eigene Kirchenbank mit Namensschild, die für sie reserviert war.
1842 wurde die Mission Blankenstein zur Pfarrei
1842 wurde die Mission Blankenstein zur Pfarrei. Zu ihr gehörten die Gemeinden Bochum-Stiepel, Herbede, Buchholz, Durchholz und Sprockhövel. „Die Kirche ist klar geostet“, sagt Stratmann beim Ortsbesuch. „Im alten Sinn und nach der theologischen Bedeutung steht der Altar im Osten, der Eingang liegt im Westen.“ Aus dem Osten fällt das Licht ein. Dort geht die Sonne auf. Auch Christus kommt wie das Morgenlicht aus dem Osten. Hier werde ein klarer Weg eingehalten: Von der Taufstelle, dem Baptisterium, gelangt der Kirchenbesucher zur Eucharistie.
Darauf weist in Blankenstein in der Eingangszone das Bronzeguss-Weihwasserbecken mit Reliefs zum Heilsgeschehen hin. „Die Einhaltung von Ost-West ist durch alle Stile bis zum 19. Jahrhundert in Kirchen zu sehen“, fügt der Fachmann hinzu. Doch nach Osten hin war noch Luft, als St. Johannes Baptist 1928/29 um gut ein Drittel erweitert wurde. Die Pläne entwarf das berühmte Architekturbüro Metzendorf aus Essen, bekannt für die Siedlung Margarethenhöhe und die Gartenstadt Hüttenau. In Inneren beherbergt die Kirche einige Schätze verschiedener Epochen.
Mit Gummistiefeln das Glas zerbrechen
Die bunten Figurenfenster im Nazarenerstil kamen mit dem Umbau hinzu. Stifter, Privatleute, aber auch Vereine finanzierten sie. „Die handwerkliche Qualität ist beachtlich“, lobt Stratmann. Zum Glück hörte die Gemeinde 1957 nicht auf den Rat des Baugremiums des Paderborner Bistums, zu dem die Gemeinde bis 1958 gehörte. Das hatte empfohlen, die alten Scheiben einzutreten und durch moderne zu ersetzen. „Mit Gummistiefeln sollte Pfarrer Lehmkühler das Glas zerbrechen.“
Der Krieg hatte den kunstvollen Scheiben erst am Ende zugesetzt. „An der Nordseite der Kirche stand ein Panzer“, weiß Stratmann. Beschusssplitter hätten die Fenster der heiligen Elisabeth und Anna leicht beschädigt. Die Experten rieten zudem, den Barockaltar durch einen modernen, schlichten zu ersetzen. Doch der Geistliche und die Gemeinde ließen alles beim Alten. Heute ist man in der Großpfarrei St. Peter und Paul. zu der die Gemeinde inzwischen gehörtt, froh darüber. Auch Brautpaare und Hochzeitsgäste aus dem ganzen Bistum loben heute immer wieder die gut erhaltene Inneneinrichtung. „Morgens sind wir schnell in die Kirche gehuscht und haben die Kerzen zugehalten. Nach der Messe bekamen wir Kinder Kuchen, den die Schwester des Pfarrers gebacken hatte. Dafür hatte sie Eier, Zucker und Mehl gehamstert.“ So erlebte Stratmann seine Erstkommunion im April 1945.
Am Nachmittag mussten alle in den Luftschutzbunker, weil die Tiefflieger angriffen. Auch den ersten Weihnachtsgottesdienst nach Kriegsende hat der Blankensteiner nicht vergessen. Er war einer der Messdiener. „Wir haben uns so gefreut, dass wir viel mehr Weihrauch verdampft haben, als wir eigentlich durften!“
Der Frieden brachte auch zwei Bronzeglocken
Der Frieden brachte auch zwei Bronzeglocken an die Ruhr, gegossen bei Junkers in Brilon. Sie sind bis heute ein hochwertiger Ersatz für die zerschlagenen Vorgänger. Deren Metall hatte man eingeschmolzen. Im November 1949 ertönte dann zum ersten Mal das neue Geläute, ein Hochgefühl für die Gläubigen. 1960 wurde eine dritte Glocke angeschafft, seither hängen vier im Turm. Während des Krieges ertönte immerhin noch die kleinste, denn sie war im Turm verblieben.
Sehr viel älter und fast lebensgroß ist die Christus-Skulptur, die der Dürerzeit zugeordnet wird. Der Renaissance-Künstler lebte von 1471 bis 1528. Auch zu dem hölzernen Heiland hat Stratmann eine besondere Verbindung. „Mein Vater, der auch Egon hieß, sah eines Tages auf dem Dachboden des Pfarrhauses aus einem Berg von Dingen eine Hand schimmern. Er schaute nach und entdeckte das Kunstwerk.“ Seit den 1970er Jahren hängt das Kruzifix in der Kirche, zuvor war es im Krankenhausgarten aufgestellt. Stratmanns jüngerer Bruder Arno malte den zerrissenen Vorhang hinter der Skulptur.
Die Pieta-Skulptur – Maria als Mater Dolorosa (Schmerzensmutter) mit dem Leichnam des vom Kreuz genommenen Jesus – ist der größte Schatz der Gemeinde. Das Vesperbild aus der Spätgotik zeigt die Gottesmutter mit Gebetsschal, wie ihn fromme Juden tragen. Der Leib des toten Heilands liegt diagonal auf ihrem Schoß.
Aus Granathülsen schuf der Bildhauer Heinrich Winkelmann 1945/46 die 14 Kreuzwegstationen. Zu lesen ist dazu der Vers aus Jesaja 2.4: „Sie schmieden Schwerter zu Pflugscharen um und Lanzenspitzen zu Winzermessern.“ So entstanden aus totbringenden Waffen moderne Gebetstafeln.
Die letzte große Restaurierung fand 1988 in der Kirche statt. Egon Stratmann legte die Ideen zur Gestaltung vor, die sein Bruder Arno mit seiner Werkstatt ausführte. Auch die Entwürfe zu den Bronzearbeiten und für den Opferaltar aus Anröchter Dolomit stammen aus Stratmanns Hattinger Atelier, wie vieles kunstvolle Inventar in Kirchen des Bistums.
Stolze Hülkatten
Zu guter Letzt: Stratmanns Mutter hatte oft den Küster an der Orgel vertreten und leitete auch einen kleinen Frauen-Chor. Man nannte die Sängerinnen spöttisch „Hülkatten“, was auf Platt „Heulkatzen“ bedeutet. Sie ärgerten sich nicht und traten fortan sogar stolz unter der Bezeichnung auf.