Das Erzbistum Freiburg weitet seine Hilfsangebote für kirchliche Missbrauchsopfer aus. Zudem sicherte Erzbischof Stephan Burger am Mittwoch erneut eine konsequente und transparente Aufarbeitung aller Missbrauchsfälle sowie eine Ausweitung von Prävention zu. „Was geschehen ist, ist unentschuldbar. Diese Schuld wird an den Tätern, den Verantwortlichen und auch an uns als Kirche haften bleiben“, sagte Burger. Er stehe jedoch dafür ein, alles zu tun, um Betroffenen zu helfen und Missbrauch in Zukunft bestmöglich zu verhindern.
Die von Burger im September 2018 eingesetzte Expertenkommission „Macht und Missbrauch“ stellte nun erste Ergebnisse vor. So plant Freiburg als erste Diözese in Deutschland, Missbrauchsopfer mit monatlichen Zahlungen zu unterstützen. Sexueller Missbrauch an Minderjährigen habe lebenslange Folgen und könne die Existenz gesundheitlich und beruflich stark beeinträchtigen, sagte Burger. Darauf reagiere das neue Unterstützungsangebot von monatlich bis zu 800 Euro. Es soll auf Personen beschränkt sein, die infolge des erlittenen Missbrauchs „bedürftig“ sind, also nicht für ihren Lebensunterhalt aufkommen können. Die entsprechende Ordnung soll spätestens zum 1. Januar 2020 in Kraft treten.
Zusätzlich besteht weiterhin die Möglichkeit, Einmalzahlungen als „Anerkennung für erlittenes Leid“ zu beantragen. Hier sieht die neue Ordnung einen Regelbetrag von 5.000 Euro vor, der „unter besonderen“ Umständen auf bis zu 30.000 Euro erhöht werden kann.
Zugleich will das Erzbistum Betroffenen von sexueller Gewalt durch Priester oder Kirchenmitarbeiter schneller und pragmatischer bei der Suche nach geeigneten Therapeuten helfen. Therapiekosten werden laut Ordnung übernommen. Die Expertenkommission, zu der unabhängige Psychologen, Juristen und Kriminologen gehören, schlägt zudem vor, die Prävention bei Klerikern auszuweiten. Auch ist angedacht, die Gründung eines „Betroffenenbeirats“ zu unterstützen.
Eine eigene Expertengruppe befasst sich seit Februar mit der Aufarbeitung und der Aktenanalyse von mehreren schweren Fällen sexuellen Missbrauchs im Südwesten. Dabei geht es vor allem um jahrelangen sexuellen Missbrauch durch einen Gemeindepfarrer in Oberharmersbach mit mindestens 25 Opfern sowie um Missbrauchsvorwürfe gegen mehrere Mönche in der Bodensee-Wallfahrtskirche Birnau. Die beschuldigten Priester sind inzwischen tot.
„Wir haben klare Hinweise darauf, dass Akten manipuliert wurden. Im Fall von Oberharmersbach ist sogar die gesamte Personalakte des betreffenden Pfarrers nicht auffindbar“, sagte Kommissionsmitglied Edgar Villwock. Einige Lücken hätten nun durch eigene Recherchen und Zeugenbefragungen geschlossen werden können. Ein Abschlussbericht für Oberharmersbach und Birnau soll im kommenden Jahr vorliegen.
Laut der im vergangenen Jahr veröffentlichten bundesweiten Studie zu Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche gibt es im Erzbistum Freiburg Hinweise auf 190 Beschuldigte und 442 Betroffene. Die meisten Übergriffe liegen lange zurück, für die Studie wurden Akten von 1899 bis 2015 ausgewertet. 125 Beschuldigte sind bereits gestorben.
Die Diözese hat sich verpflichtet, alle Missbrauchsverdachtsfälle an die Staatsanwaltschaft zu melden. Die Missbrauchsbeauftragte des Bistums, Angelika Musella, betonte, dass sie seit 2011 bistumsweit sechs Meldungen von aktuellen Vorwürfen erhalten habe. Dabei sei es zumeist um Grenzverletzungen gegangen, die Taten seien nicht strafrechtlich relevant gewesen.